| Wermut im Freudenbecher / Magdeburgs Regionalliga-Aufstieg nur sportlich perfekt Wäre einzig der Sport das Maß aller Dinge, der Aufsteiger zur Regionalliga hieße 1. FC Magdeburg. Im zweiten Vergleich der Oberliga-Staffelsieger (Hinspiel 0:0) triumphierten die Elbestädter nach packendem Fight mit 5:2 gegen den BFC Dynamo. Das löste bei den FCM-Fans unter der Rekordkulisse von 20.600 Menschen überschwengliche Begeisterung aus - doch den Verantwortlichen des Europapokalsiegers von 1974 standen auch nach dem Spiel die Sorgenfalten ins Gesicht geschrieben. Zutiefst geschockt vom Crash des Vermarkters Kölmel (Kinowelt, besser: Sportwelt), haben die Magdeburger bis Dienstag eine satte Bürgschaft von mehr als vier Millionen aufzubringen.
"Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht", sagte zwar FCM-Präsident Trümper - so richtig überzeugend klang das freilich nicht. Zweimal, anfangs der Halbzeiten, zog der FCM in Front - zweimal schlug Dynamo zurück. Ein bißchen sah man sich bereits an die tapferen Spanier von Alavés erinnert. Doch nach dem 3:2 klappte das Kunststück nicht mehr. "Dieses Tor war der erste Knackpunkt", analysierte BFC-Trainer Jürgen Bogs, "der zweite war der Feldverweis für Batrinu." In der Tat bildeten die beiden Ereignisse in ihrer raschen Folge eine Art psychologischer Keule, deren zerschmetternde Wirkung Dynamo nicht nur an-, sondern letztlich ausknockte. Das Unheil aber hatte sich angebahnt.
Allzu früh schien der BFC auf Sicherung des 2:2 bedacht, zu wenig wurde da die Offensive gesucht, bzw. der Ball sinnvoll nach vorn getragen - von hinten heraus begann vielmehr das große Puffern. Es bleibt ein Phänomen des Fußballs, daß stets der auf die Tube drückt, der drücken muß. Ist das Ziel, der Torerfolg, erreicht, schraubt man sofort wieder zurück - gewollt oder unbewußt, das ist die Frage. Nach dem 1:0 und dem 2:1 verfielen auch die Magdeburger diesem Fehler. Um ein Remis über die Runden zu schaukeln, mangelte es der Dynamo-Deckung, mit bis dahin 17 Gegentreffern die beste beider Oberligen, an Souveränität. "Wir haben zuviel zugelassen", bemängelte Bogs und warf konkret Batrinu und Zegrean vor, beim 2:3 die Zuordnung mißachtet zu haben.
Auch Thomaschewski blieb nicht fehlerfrei. Einige seiner spektakulären Paraden, besonders die gegen Papic (49.), verdienten allen Respekt - was aber, zum Teufel, hatte der Keeper vor dem 2:4 draußen zu suchen? Sonst hätte der gerade eingewechselte Mydlo, weit abgetrieben und fast schon an der Grundlinie, nie getroffen. Um eines klarzustellen: So überlegen, wie es das Resultat vermuten läßt, war der 1. FC Magdeburg keineswegs. Auch er verriet einige Deckungsschwächen, wobei selbst der vorzüglich gestartete Libero Schmidt keine Ausnahme bildete. Und während Koc gegen die vorderste BFC-Spitze Koslow noch halbwegs erfolgreich blieb (außer beim 2:2), hatten Holz und Franz gegen die quirligen Piegzik und Mba derart den Kopf voll, daß FCM-Trainer Eberhard Vogel sie zur Pause die Plätze tauschen ließ.
Weil eben Mba und Piegzik immer wieder nach vorn stießen, geriet der BFC in ein 3-4-3-System, obwohl Coach Bogs eigentlich nur mit einer Spitze (Koslow) spielen wollte. Das schuf bisweilen Unruhe - doch aus dem Mittelfeld kam zu wenig Unterstützung. Über weite Strecken sahen Zegrean und Panait und selbst der am Ball exzellente Cristescu sich in die Verteidigerrolle gedrängt. Zu selten blitzte es auf wie bei den beiden Toren, die nicht nur Bogs als "sehr gut herausgespielt" empfand, besonders das erste: Nach couragiertem Lauf Mbas ließ Cristescu täuschend durch zu Zegrean, um dessen Eingabe eiskalt zu verwandeln - ein Klassetor. Meist jedoch war der Druck aus dem Magdeburger Mittelfeld einfach zu stark.
Selbst Jarling, ein erprobter Zweikämpfer, konnte nichts ausrichten bei den Kopfballtoren seines kräftigen Widerparts Maslej, und von den erfahrenen Rumänen wie Batrinu und Panait, immerhin zwei Nationalspieler, durfte man getrost mehr erwarten. Zwar haderte Jürgen Bogs ein wenig mit dem Schiedsrichter Weber ("Zweierlei Maß bei den Gelben Karten"), doch gerade für diese beiden waren die Strafen durchaus berechtigt: Schon nach einer Minute hatte Batrinu den davonziehenden Maslej festgehalten (wofür mancher Referee sogar "Rot" gezogen hätte), und Panait sah sich genötigt, den Ball wegzudreschen. Dummheit hoch drei. Von allen Finanznöten scheinbar unberührt jubelte FCM-Coach "Matz" Vogel: "Wir haben ein sehr gutes Jahr gehabt und erfolgreichen, offensiven Fußball gespielt."
Vor allem imponierte dem einstigen DDR-Nationalspieler, "wie meine Mannschaft nach den Ausgleichstoren zurück ins Spiel gekommen ist." Tatsächlich gefielen die Elbestädter nicht nur durch Kompaktheit, sondern auch durch ihre nervliche Stabilität. Die werden sie in der Regionalliga dringend brauchen - so sie denn aufsteigen sollten... Bedrohlich schwimmt der Wermutstropfen im Freudenbecher. Der BFC Dynamo aber muß einen neuen Anlauf nehmen. Wie hinter den Kulissen zu vernehmen war, wird die Mannschaft ein neues Gesicht erhalten und der Etat heruntergeschraubt. Ihren Antrag auf Eingliederung in die Staffel Süd, den übrigens auch Herthas Amateure gestellt haben, sollten die Hohenschönhausener allerdings nochmal überdenken. Wie die Dinge liegen, werden die Trauben im Süden weit höher hängen.
1. FC Magdeburg: Dreszer; Schmidt; Holz, Koc, Franz; Lücke, Maslej (83. Mydlo), Zani, Golombek (63. Ofodile); Papic (71. Scholze), Ivanovic BFC Dynamo: Thomaschewski; Lenz; Batrinu (76. Platzverweis), Kallnik; Zegrean, Cristescu, Jarling (85. Vollmar), Panait; Mba (79. Aerdken), Koslow, Piegzik (56. Petzold)
1:0 Maslej (14.) 1:1 Cristescu (28.) 2:1 Maslej (50.) 2:2 Koslow (57.) 3:2 Ivanovic (73.) 4:2 Mydlo (84.) 5:2 Zani (90.)
Schiedsrichter: Weber (Eisenach) Zuschauer: 20.600
Raimund Wilheim, Fußballwoche, 11.06.2001
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