| Entsetzen und Ratlosigkeit Rajko Fijalek wirkte gefasst und doch, verständlicherweise, ziemlich geschockt. "Es waren wunderbare Rahmenbedingungen für ein Fußballfest", sprach der Trainer des BFC Dynamo, "und es war auch ein ganz rassiges Spiel. Aber an einem solchen Tag verbietet es sich, über Sport zu sprechen." Es gab keinen, der ihm widersprechen wollte. 75 ansprechende und unterhaltsame Minuten Fußball, geprägt von scharfem Tempo und haufenweise Chancen auf beiden Seiten, waren auf einen Schlag zerstört worden von zahlreichen Irrsinnigen, die plötzlich ohne jeden erkennbaren Anlaß zunächst aus dem BFC-Block und dann von allen Seiten über die Zäune geklettert waren und das Spielfeld überflutet hatten. Keiner konnte sie stoppen - weder eine Tausendschaft der Polizei noch der Ordnungsdienst, die an Passivität und Hilflosigkeit sich gegenseitig übertrafen.
Während die Mannschaften und das Schiedsrichter-Trio in die Kabinen flüchteten, widmete sich die Polizei dem Union-Block, in dem es ebenfalls reichlich Bewegung und Unruhe gegeben hatte. Nach und nach räumten die Uniformierten die Ränge radikal leer und drängte die tobende Menge Richtung Ausgang. Noch war der Unparteiische Gerber bereit, die Partie wieder anzupfeifen. Weil jedoch im Innenraum der sicherheitstechnisch völlig unzureichenden Anlage sich nur noch Ordner befanden, aber keine Polizei, deren Einsatzleiter Knape auch jede Verantwortung ablehnte, brach Gerber nach mehr als halbstündiger Unterbrechung und Rücksprache mit dem Staffelleiter Wusterhausen das Spiel endgültig ab. Entsetzte Gesichter und Ratlosigkeit überall.
Das Spielgeschehen selbst kam als Auslöser der Randale kaum in Betracht. Hart, aber überwiegend fair waren die Gegner miteinander umgegangen, mit Ausnahme des BFC-Stürmers Suwary, der zum Erstaunen aller unmittelbar nach seinem Treffer ein bißchen überdreht hatte: Gleich nach dem folgenden Anstoß setzte er zu einer üblen Sense gegen Bönig an und flog völlig zu Recht mit "glatt Rot" vom Platz. Ansonsten galt: Die Spieler hatten ihre Nerven im Griff, Teile des Publikums leider nicht. War der erste Spielabbruch in der Oberliga wirklich unvermeidlich? "Zig Sicherheitskonferenzen" seien im Vorfeld abgehalten worden, betonte BFC-Präsident Weinkauf, aber: ”Die Strategie der Polizei ist nicht aufgegangen." Dies konnte auch NOFV-Sicherheitschef Rieck nicht leugnen, der den Ordnungsdienst in die Kritik einbezog: "Der hat nicht sofort reagiert, als die ersten Fans über den Zaun gesprungen sind." Und dann geschah das, was Wusterhausen als "Kettenreaktion" bezeichnete.
BFC Dynamo: Thomaschewski; Rudwaleit, Lenz, Jarling; Schmele, Palmer, Benthin, Manteufel; Zöphel; Suwary (38. Platzverweis), Marjanovic (66. Kayser) 1. FC Union Berlin: Hinz; Kaiser, Bergner, Ruprecht; Bönig; Wunderlich, Kurbjuweit, Mattuschka, Rogoli; Benyamina, Teixeira
1:0 Suwary (36.) l:1 Teixeira (59.)
Schiedsrichter: Gerber (Chemnitz) Zuschauer: 6.471
Raimund Wilheim, Fußballwoche, 15.05.2006
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