25. Spieltag 1994/95: 1. FC Union Berlin - FC Berlin 3:2

"Kontrolle völlig verloren"
Als Persich Union nach gnadenloser Überlegenheit auf 3:0 in Führung gebracht hatte, schaute man bei der FCB-Führungscrew um Bittroff/Fuchs in betroffene Gesichter. Ein Debakel schien nahe. Doch dann kam doch noch alles anders. Am Ende stand ein äußerst glücklicher Union-Sieg. Weshalb es dann so eindeutig in die andere Richtung nach Halbzeit ging, wußte Union-Trainer Meyer so zu erklären: "Wir verloren nachher völlig die Kontrolle. Bei lebloser Abwehrarbeit!" Es war natürlich überaus erstaunlich, daß Routiniers wie etwa Bennert, Härtle, Rehbein, Jelen oder Rehmer kein Mittel dagegen fanden, die einzige Zweithalbzeit-Variante der Hohenschönhausener zu erkennen und demzufolge auszuschalten: Brestrichs vorbehaltloses Stürmen! Der FCB-Libero kümmerte sich fortan einfach um nichts mehr in der Deckung (die trotzdem bis zehn Minuten vor Schluß astrein funktionierte) und erzwang auf diese äußerst einfach Art fast noch eine totale Resultatsumkehr!

Zum 3:3 hatte der FC zwei glasklare Chancen: Reservist Franke (65.) köpft fliegend knapp links vorbei, und Reckmann (69.) köpft beim sechsten Eckball knapp darüber! Hier ein Unentschieden - die völlig aus den Fugen geratenen Oberschöneweider wären wohl nicht mehr Sieger geworden. Erst gegen Ende, als den Schwarzroten allmählich doch die Puste auszugehen schien, fing sich Union und verdiente sich mit allein vier (!) Torchancen von Barbarez doch noch den Sieg. FCB-Trainer Koch sprach später von seiner zu Beginn ängstlichen, in allen Belangen unterlegenen Mannschaft, die er dann aber ob besserer Taktik doch noch loben wollte. "Anerkennung dafür. Aber was sie vor der Halbzeit zeigte, war ihrer nicht würdig. So durften wir uns nicht verkaufen!" Kollege Meyer wagte die psychologische Deutung, bei einem 4:0 noch vor der Halbzeit wäre seiner Truppe nichts mehr passiert: "Aber der 1:3-Anschluß kam zur unrechten Zeit!"

Union scheint in dem 20jährigen David Bergner, einem baumlangen Blonden, den rechten Mann für das Deckungszentrum hinzubekommen zu haben. Der Junge ist erstaunlich kaltblütig, räumt oben fast alles ab, schlägt auch einen sauberen, langen Paß und erinnert - der Vergleich sei einem alten Beobachterhasen gestattet - ein bißchen an einen beim heutigen Union-Anhang wohl längst in Vergessenheit geratenen verdienstvollen Vorgänger wie Herbert Raddatz, der einst zwischen der Alten Försterei und dem Wald Triumphe feierte. Polizei war zum Derby mit 15 Mannschafts- und einem Funkwagen aufgefahren und hatte das Randgeschehen mit Routine im Griff. Verbale Entgleisungen überhört man ja schon seit geraumer Zeit ohne Aufregung.

1. FC Union Berlin:
Kosche; Bergner; Härtel, Rehmer; Persich, Rehbein, Bennert, Jelen, Petzold; Markov (68. Skela), Barbarez
FC Berlin:
Oster; Brestrich; Müller, Reckmann; Schröder, Zöphel, Oesker, Zavarko (46. Starp), Nikol; Steffen, Hennig (54. Franke)

1:0 Markov             (23.)
2:0 Härtel             (37.)
3:0 Persich            (42.)
3:1 Hennig             (44.)
3:2 Brestrich          (65.)

Schiedsrichter:        Voigt (Senftenberg)
Zuschauer:             3.600

Lutz Rosenzweig, Fußballwoche, 03.04.1995