13. Spieltag 1994/95: Berliner TC Borussia - FC Berlin 1:1

Adlers Treffer reichte nicht
Wer hat Angst vor Tennis Borussia? Viele Gegner wohl nicht mehr, aber immerhin noch der FC Berlin. Wie die Schneekönige freuten sich die Ostberliner über das 1:1, dabei völlig ignorierend, was möglich gewesen wäre, hätten sie nur früher mal auf Angriff geschaltet (und nicht erst nach dem 0:1). Die total destruktive Einstellung seines Teams entschuldigte Trainer Helmut Koch mit dem Hinweis auf vier verletzte Stammspieler ("Säulen"), was als pure Ausrede angesehen werden muß. Überhaupt waren Ausreden an der Tagesordnung nach den über weite Strecken schrecklich langweiligen 90 Minuten: "Der Druck des Siegenmüssens lähmt doch sehr," klagte zum wiederholten Male Te-Be-Coach Willibert Kremer. Man kann es kaum mehr hören. Was, zum Teufel, soll denn so belastend daran sein, ein Fußballspiel gewinnen zu wollen? Millionen von Spielern aller Alters- und Leistungsklassen auf der ganze Welt jagen dem runden Leder nach und machen sich solche Gedanken nicht.

Nehmen wir daher kein Blatt vor den Mund und beurteilen die Mannschaften so, wie sie sich tatsächlich präsentierten: Der FC Berlin war schlecht, weil er zwar loslegte wie die Feuerwehr und bereits nach einer Minute durch Hennig ein Abseitstor erzielte, dann jedoch Angst vor der eigenen Courage (und vor TeBe) bekam. "Wir haben es nicht verstanden, länger in Ballbesitz zu bleiben," befand Helmut Koch. So stand der FCB meist hinten drin, hoffnungslos eingeschnürt, die Bälle mehr wegdreschend als klug aufbauend und schon gar keine klugen Konter fahrend. Daß es auch anders geht, zeigten die wenigen Minuten nach dem 1:0. Da stürmte der FCB mit Mann und Maus - warum ging das erst nach dem Rückstand? Und wie das Schicksal so spielt: Ohly kam rein und köpfte sofort gegen die Latte, Müller mit der Gipshand staubte zum 1:1 ab.

Der Berliner sagt: Schwein gehabt. Und die Borussen? Man ist geneigt, für sie die Saison als abgehakt zu betrachten. Klare Feldüberlegenheit, schön und gut. Aber kein Schwung, keine Begeisterung, keine Ideen, kein Tempowechsel, alles nach Schema F (Ausnahme: Henschel). Alles, was noch im Aufstiegsjahr vor zwei Jahren mit leichter Hand ging, muß heute hart erarbeitet werden (und wird dann doch nicht verteidigt). Die Mannschaft wirkt einfach seelen- und konturenlos. Ein Kopfball von Adler (33.), knapp vorbei, zwei Prachtparaden Osters bei Schüssen von Gries (62.) und Sazlog (63.), ein Abseitstor Krznaric, zu wenig, um an eine erfolgreiche Aufholjagd zu denken. "Die Mannschaft traut sich zu wenig zu," urteilte Kremer, "vor allem im Spiel ohne Ball. Und vom Glück sind wir nicht gerade gesegnet..."

Berliner TC Borussia:
Hillringhaus; Bayerschmidt; Lenz, Civa; Backasch (46. Gries), Levy, Krznaric, Henschel, Gatti; Sazlog, Adler
FC Berlin:
Oster; Brestrich; Fensch, Reckmann; Schröder, Zöphel, Kallnik (68. Starp), Nikol, Müller; Franke, Hennig (82. Ohly)

1:0 Adler              (76.)
1:1 Müller             (82.)

Schiedsrichter:        Brandt-Cholle (Berlin)
Zuschauer:             815

Wolf Reimer, Fußballwoche, 07.11.1994