26. Spieltag 1992/93: FC Berlin - Berliner TC Borussia 2:7

Spaziergänger Hirsch-Goulet / Erst nach 7:0 steckte TeBe etwas zurück
Einzelne Spieler seiner Mannschaft hervorzuheben fiel Trainer Kremer sichtlich schwer ("alle spielten gut"). Dann ließ er sich doch zwei Namen abringen und begründete sofort seine Gedanken: "Hirsch, weil er freudig lief, den Ball schnell weiterleitete und vorausdachte, was folgte. Wehrmann, weil er 90 Minuten lang, ohne Abstriche. Gescheites tat." Der TeBe-Motor lief tatsächlich auf vollen Touren. Die Spieler kreisten und kreiselten, bis einer von ihnen frei vor Oster auftauchte. Unentwegt bewegten sie sich. Die FCB-Abwehr wußte nicht, wo ihr der Kopf stand. sie erstarrte voller Schrecken wie das berühmte Kaninchen vor der Schlange. Und die Hohenschönhauser verteilten Gastgeschenke in Hülle und Fülle, übertrieben die Freundschaft. Sie ließen Goulet und Hirsch ungestört köpfen (0:2, 0:4). Sie stellten ihre Mauer falsch (0:3). Sie schossen sich in eigener Strafraumnähe gegenseitig an. Einen Schritt zu spät kamen sie sowieso meistens.

Doch die deklassierende Überlegenheit der Borussen von der ersten Minute an gründete sich auf kluge Spielzüge beherrschter taktischer Fähigkeiten. Wenn zum Beispiel Goulet und Hirsch von den Außenlinien nach innen spazierten und ihre Gegenspieler mitzogen, stießen überwiegend Sandstoe und Muschiol (rechts) sowie Flad und Hajszan (links) in die nunmehr unbewachten Räume. Thiel und Jesse hätten ihnen folgen müssen, aber ein um das andere Mal erkannten diese zu spät oder gar nicht die Schachzüge der Charlottenburger. So schien es, als ob TeBe stets einen Mann mehr als der FCB ins Spielgetümmel schickte. Und wie die Borussen zielten! In der ersten Halbzeit schossen sie neunmal ernsthaft aufs FCB-Tor und trafen fünfmal. Außerdem prallte ein Kopfball von Goulet vom rechten Pfosten ab (34.). Bis zur 70. Minute spielte TeBe schönen Fußball. Wegen mangelnder FCB-Gefährlichkeit beschatteten Lenz und Schröder die FCB-Spitzen Pronischew und Jopek bald nicht mehr hautnah, sondern wagten sich mehr und mehr in die andere Spielhälfte.

Auch Theiss mischte bei Doppelpässen mit. Eine lockere Raumdeckung mit wechselnden Akteuren genügte. Dem FCB blieb der schwache Trost, nach der Pause ein 2:2 erreicht zu haben. Tennis ließ es zum Schluß laufen. Die beiden Gegentreffer fielen, als der Sieger einen Gang zurückschaltete und sich schon in Freude badete. Für Feinschmecker technischer Delikatessen bot Hajszan Dribblings mit enger Ballführung und verdecktem Abspiel. Auch wie sich Hirsch im FCB-Strafraum wand und löste, ließ die Kenner mit der Zunge schnalzen. Muschiol steuerte zielstrebig in die Tiefe des Raumes, trennte sich rasch vom Ball zugunsten seiner Mitspieler. Vieles rollte glatt über die Bühne. Zu glatt? Die Frage sei gestattet: Was geschieht, wenn ein entschlossener Rivale TeBe dauernd auf die Füße tritt und körperliche Härte in den Kampf wirft? Trainer Jürgen Bogs (FCB): "Wir erhielten eine Lehrstunde in Raumaufteilung. Spiel ohne Ball und Zweikampfstärke. TeBe zeigte unsere Grenzen auf. Unsere Abwehr spielte schwach wie leider des öfteren schon."

FC Berlin:
Oster; Michal; Reckmann, Zöphel; Jesse (69. Richert), Rehbein, Rambow, Thiel (46. Brestrich), Schröder; Pronischew, Jopek
Berliner TC Borussia:
Rudwaleit; Theiss (66. Buder); Lenz (66. Backasch), Schröder; Sandstoe, Muschiol, Wehrmann, Hajszan, Flad; Goulet, Hirsch

0:1 Hirsch             ( 4.)
0:2 Goulet             (14.)
0:3 Hajszan            (19.)
0:4 Hirsch             (29.)
0:5 Muschiol           (41.)
0:6 Theiss             (59., Foulstrafstoß)
0:7 Muschiol           (67.)
1:7 Brestrich          (75.)
2:7 Michal             (79.)

Schiedsrichter:        Richter (Berlin)
Zuschauer:             917

Kurt Auerbach, Fußballwoche, 22.03.1992