24. Spieltag 1992/93: FC Berlin - BSV Brandenburg 1:1

Jesses toller Sturmlauf zum 1:0! / Feldverweis für Nikol - eine Stunde mit zehn Spielern
Unklar darüber, wie der gegenwärtige Leistungsstand nach exakt vierteljährlicher Punktspielpause überhaupt einzuschätzen ist, beendete der FCB seine 93er Premiere mit gemischten Gefühlen. Womit ohne jegliche Umschweife sogleich auf zwei folgenschwere Vorkommnisse hingewiesen werden soll: Libero Michal ließ den zum Dribbling ansetzenden BSVer Gluhacevic "über die Klinge" springen. Mit schmerzhaftem Kapselriß zum Ausscheiden gezwungen, war der Wiedereinsatz des Kroaten nach abgelaufener Sperre schnell beendet. Eine knappe halbe Stunde später erwischte es Nicol, weil sich der junge Mann nach einer sicherlich strittigen Einwurf-Entscheidung gegenüber dem Linienrichter leider nicht in der Gewalt hatte. FCB-Manager Dr. Dieter Fuchs später zu diesem Vorfall, der die Berliner in eine taktische Notsituation manövrierte: "Spieler, die ihre Selbstbeherrschung verlieren wie Nicol, müssen mit knallharten Konsequenzen rechnen."

Anders geht es wohl auch nicht! Zunächst also Brandenburg, dann ganz entscheidend auch der FCB gehandicapt. Wie und in welchem Maße strahlte das auf die Leistungen aus? Mit dem jungen Hartmann als frühzeitigem Einwechsler ließ sich der BSV im kompromißlosen Vorwärtsgang zunächst nicht im geringsten irritieren. Er spielte schnell, weiträumig und drangvoll über beide Flügel mit Akteuren wie Winkler und Demuth, die Offensivqualitäten demonstrierten. Der FCB rang um Bindung, der Gegner besaß sie von Beginn an mit Vorzügen in der Antrittsschnelligkeit bei vielen gewonnenen Zweikämpfen. Tore für den BSV schienen nur eine Frage der Zeit, aber sie fielen aus der Überlegenheit heraus nicht. Vielmehr praktizierte der allmählich im Spielaufbau flüssiger operierende FCB mit einem der ersten Konterangriffe überhaupt, wie man eiskalt zuschlägt. Das Geschehen pegelte sich auf eine gewisse Gleichwertigkeit ein. Bis hin zu Nikols Feldverweis, der Brandenburg eigentlich alle Trümpfe in die Hand gab.

Zwangsläufig mußte Trainer Bogs zur Halbzeit sein Konzept dahingehend ändern: Einen Angreifer (Pastorek) für einen Abwehrspieler (Thiel) opfern. Was sich danach tat, ist mit wenigen Sätzen wie folgt umrissen: Brandenburg stürmte pausenlos, bezog dabei selbst Libero Lindner ein, suchte aber den Erfolg nach Ranks Ausgleich zu selten mit zwingenden, überlegten Pässen in die Tiefe. Mit Oster als der tatsächlichen Nummer 1 im Rücken überstanden die Berliner bei nur noch vereinzelten Kontermöglichkeiten dieses Unterzahlspiel. Unter genannten Aspekten sicherlich ein Punktgewinn für sie. Trainer Jürgen Bogs (FCB): "Diese Partie war eine Standortbestimmung dafür, wo wir nach so langer Pause eigentlich stehen. Als sich die Nervosität zu lösen begann, kam es leider zum Zwischenfall mit Nicol. Zufrieden bin ich mit dem erst 17jährigen Debütanten Schröder, der spielerische Anpassungsfähigkeit bewies."

FC Berlin:
Oster; Michal; Reckmann, Zöphel; Jesse, Rehbein, Rambow, Schröder, Nicol (31. Platzverweis); Pronischew (60. Richert), Pastorek (46. Thiel)
BSV Brandenburg:
Wiesner; Lindner; Schmidt, Kossowski; Winkler, Joppien, Rose, Bletsch, Demuth; Gluhacevic (5. Hartmann), Rank (79. Eidtner)

1:0 Jesse              (24.)
1:1 Rank               (53.)

Schiedsrichter:        Matschulla (Saßnitz)
Zuschauer:             252

Dieter Buchspieß, Fußballwoche, 08.03.1992