11. Spieltag 1990/91: FC Berlin - HFC Chemie 0:0

Mit der blanken Scham im Gesicht
"Ich will mir einen Überblick über Spieler und Niveau verschaffen. Verhandlungen mit irgendeinem Spieler stehen nicht zur Diskussion", erklärte Schalke 04-Manager Helmut Kremers (gemeinsam mit Ex-DFV-Cheftrainer Eduard Geyer angereist) nach dem Spiel. Der Schlafwagen-Fußball beider Mannschaften hatte den Flug nach Berlin ohnehin nicht gelohnt. Das 0:0-Gekrampfe war von der tristesten Art. Es hätte den Spielern eigentlich die blanke Scham ins Gesicht treiben müssen. Kein Tempo, zeitlupenhafte Bewegungsabläufe, nur sporadische Sprints, von Kombinationen keine Spur. Dafür Fehlpässe und Mißverständnisse in Hülle und Fülle. Niemand führte Regie - auch die beiden Auswahlspieler Bonan und Wosz trotz einiger Bemühungen nicht -, das Durchsetzungsvermögen aller Angreifer war eine Zumutung für die Minikulisse. “Alles nur Stückwerk", bemängelte Eduard Geyer. Auch die Trainer beschönigten nichts.

"Natürlich freuen wir uns über den 13. Punkt. Aber nach einigen attraktiven Spielen in den letzten Wochen wirkten wir diesmal viel zu reserviert und fehlerhaft", resümierte der Hallenser Bernd Donau. Jürgen Bogs (Berlin) bemängelte "kapitale Fehler im Spielaufbau, telegrafierte Querpässe und die Harmlosigkeit im Angriff." Schon im taktischen Konzept beider Vereine steckte der Pferdefuß: Sie hatten völlig unangebrachten Respekt voreinander, scheuten das Risiko, hielten mehr von "Nummer sicher" als von Angriffsfußball mit dramatischen Strafraumszenen. Besonders unbegreiflich, daß kein Angreifer den Ball in der Vorwärtsbewegung mitnahm, sich dadurch in Schußpositionen brachte. Statt dessen ließ jeder den Ball nach hinten wegprallen. Das Stückwerk tat weh! In acht Spielen seit 79/80 hatten die Berliner gegen den Halleschen FC Chemie 22:7-Tore und 12:4-Punkte auf ihr Konto gebracht. Nur 1987/88 gestatteten sie den Hallensern einen 2:1-Sieg. Derzeit können die Berliner allerdings überhaupt kein Spiel entwickeln.

FC Berlin:
Walow; Szangolies; Ksienzyk, Reich, Herzog (46. Lenz); Fügner, Küttner, Bonan, Backs; Boer (70. Pronischew), Rehbein
HFC Chemie:
Adlers; Rziha; Wüllbier, Schön, Neitzel, Lorenz; Tretschok, Wosz, Machold; Schülbe, Nowotny (67. Wawrzyniak)

Schiedsrichter:        Supp (Meiningen)
Zuschauer:             1.463

Günter Simon, Fußballwoche (Ost), 12.11.1990