26. Spieltag 1989/90: FC Berlin - FC Wismut Aue 1:4

Alles zu spät
Ein souveräner Sieger verließ völlig niedergeschlagen den Platz. Wismut wußte um diese rechnerische Möglichkeit vorher, aber die Enttäuschung saß nach diesen 90 Minuten um so tiefer. "Weil wir gezeigt haben, daß wir viel besser sind als dieser 13. Tabellenplatz", rang Trainer Jürgen Escher sichtlich um Fassung. Die Erkenntnis lag auf der Hand: hätte Wismut in dieser Saison durchgängig nur annähernd solche Leitung gebracht wie am Schlußtag in Berlin - die Mannschaft wäre nie und nimmer abgestiegen! Aber das hilft nun auch nichts mehr, denn unterm Strich kam dieser Sieg eben zu spät. "Wir sind nicht hier und nicht heute abgestiegen. Der Geist, der diese Mannschaft immer zusammenhielt, fehlte zu oft in dieser Saison. Und dies nicht nur wegen der äußeren Einflüsse, die auf unser Land einströmten." Routinier Harald Mothes, der nach 18 Jahren bei Wismut zum bayrischen Landesligisten Ampfing wechselt, kann sich gewiß einen Vergleich erlauben.

Jürgen Escher führte noch einen anderen Grund dafür ins Feld, daß Wismut erst in der Schlußphase der Meisterschaft zu arteigenem Kampfeswillen fand: Wir haben 29 Spieler eingesetzt und 59 Gelbe Karten kassiert. Erst gegen Ende brachten wir eine eingespielte Formation zustande." Was diese zu leisten vermag, bekamen die Berliner zu spüren. Wismut begnügte sich von Beginn an nicht damit, nur das Spiel des Gegners zu zerstören. Vielmehr wurden auch in der Offensive Akzente gesetzt. Als mutmaßliche Schwachstelle wurde dabei die umformierte FCB-Innendeckung, wo gleich drei Stammspieler wegen Verletzung (F. Rohde, Reich) oder Sperre (Herzog) fehlten, mit dem Debütanten Nofz dazu im Tor ausgemacht. Und in der Tat verbuchte Wismut Chancen wie wohl lange nicht in einem Auswärtsspiel.

Im Mittelfeld spielerisch besser, mit geradlinigem Zug zum Tor (Jack, König) war vorn vor allem Persigehl kaum zu stoppen. Um es deutlich zu sagen: Der Sieg der Gäste ging auch in dieser Höhe in Ordnung! Alles zu spät war auch bei den Berlinern, die sich bis auf die Knochen blamierten. "Das grenzte bei einigen an Arbeitsverweigerung", rügte Peter Rohde die laxe Einstellung, mit der ein bis in die Schlußphase möglicher EC-Startplatz regelrecht verschleudert wurde. Bis auf Doll erreichte keiner Normalform, und mit zunehmender Spielzeit verlor auch der scheidende Dribbler (verständlicherweise) die Lust. In der Schlußphase glich das Ganze dann einer "Karussellfahrt" (so P. Rohde), was normalerweise für eine Heimmannschaft ein gellendes Pfeifkonzert nach sich zieht. Allerdings schienen die Auer Fans diesmal in der Überzahl zu sein, und wenn sich beim FCB nicht bald etwas ändert, werden auch kaum noch Zuschauer kommen...

FC Berlin:
Nofz; Ernst; Ksienzyk, Lenz, Fügner; Boer, Backs (46. Strecker), Küttner (78. Anders), Bonan; Rydlewicz, Doll
FC Wismut Aue:
Weißflog; Schmidt; Konik, Barylla; Hecker (67. Bemme), König, Mothes, Krauß, Jack; Vogel (84. Pfüller), Persigehl

0:1 Mothes             (22.)
1:1 Doll               (27.)
1:2 Krauß              (78.)
1:3 Bemme              (88.)
1:4 Bemme              (89.)

Schiedsrichter:        Henning (Rostock)
Zuschauer:             3.000


Sascha Stolz, Neue Fußballwoche, 29.05.1990