21. Spieltag 1989/90: FC Berlin - FC Hansa Rostock 3:0

Zu "wetterfühlig"
Der FC Hansa Rostock hatte in "besseren Zeiten" kein Hehl aus seinen Saisonzielen gemacht. "Einen Platz, der zum Start im UEFA-Cup berechtigt", so war es aus Richtung Ostseeküste nach der ersten Halbserie zu hören. Mit der Partie im Berliner Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark dürfte das wohl endgültig ein frommer Wunsch bleiben. Trainer Werner Voigt hatte auch keine schlüssige Erklärung für den "verspäteten Osterspaziergang", den seine Truppe gegen den FC Berlin hinlegte. Wer so wenig kämpferisches Engagement aufbringt, so wenig Mut, einen Kontrahenten zu fordern, der selbst sichtbare Mühe hatte, seinen eigenen Rhythmus zu finden, der muß sich am Ende den Vorwurf gefallen lassen, eine große Chance ausgelassen zu haben, sein eigenes Publikum im Hinblick auf internationale Spiele nicht gerade vorbildlich bedient zu haben. Trotz des zahlenmäßig klaren Erfolgs riß der FCB nun wahrlich keine Bäume aus.

Peter Rohde verwies in seinem Kommentar nach dem Spiel darauf, daß der Witterungsumschwung dazu beigetragen haben könnte, daß einige Akteure nicht zu ihrer Normalform fanden. So "wetterfühlig" aber kann man gar nicht sein, daß man einem derart schwachen Kontrahenten, wie es diesmal der FC Hansa war, gleich sechs dicke Chancen gewährt. Zu den Ungereimtheiten dieser Begegnung gehört es nämlich, daß FCB-Schlußmann Kosche zu den auffälligsten Akteuren seiner Mannschaft gehörte. In der 22. Minute beispielsweise riskierte er Kopf und Kragen, um nach einem katastrophalen Fehlpaß von Buder dem auf ihn zustürmenden Röhrich den Einschuß zu verwehren. Seine Glanzleistung vollbrachte er schließlich in der 81. Minute, als er einen Freistoß von Schlünz abwehrte, Jarohs noch einmal an das Leder kam, aber erneut an dem blitzartig reagierenden Torsteher des Gastgebers scheiterte. Beim Sieger fiel außerdem auf, daß Ernst nach einer vergleichsweise guten ersten halben Stunde zusehends schwächer wurde, sogar ausgewechselt werden mußte.

Für ihn übernahmen Bonan (einige starke Dribblings) und Küttner (schoß einen Treffer selbst, bereitete einen zweiten vor) das Kommando im Mittelfeld. Die Effektivität, die die Berliner gerade in dieser Spielzone noch im Jenaer Auswärtsspiel erreichten, war diesmal aber nicht mehr als in Ansätzen zu spüren. Mag sein, daß man sich hier auch einem Wunschdenken hingibt, war doch Thomas Doll nach seiner Verletzung noch lange nicht in der Verfassung, in der ihn die Zuschauer in den letzten Wochen und Monaten erleben konnten. Daß es für ihn dennoch zu einem Torerfolg reichte, gibt unter anderem auch Aufschluß darüber, wie inkonsequent in der Rostocker Deckung vorgegangen wurde. Der FCB "schleicht" auch nach dieser Begegnung heimlich, still und leise in Richtung Titel. Der FC Hansa aber wird wohl in Klausur gehen müssen, um für den Rest seines Programms noch einmal Standortbestimmung vorzunehmen.

FC Berlin:
Kosche; Rohde; Ksienzyk, Herzog, Buder; Strecker, Ernst (81. Lenz), Küttner, Bonan; Anders (61. Rydlewicz), Doll
FC Hansa Rostock:
Kunath; März; Alms, Rillich, Rietentiet; Babendererde, Schlünz, Wahl, Weilandt (62. Weichert); Fuchs (71. Jarohs), Röhrich

1:0 Küttner            (17.)
2:0 Herzog             (44.)
3:0 Doll               (87.)

Schiedsrichter:        Stenzel (Forst)
Zuschauer:             3.000


Rainer Nachtigall, Neue Fußballwoche, 24.04.1990