20. Spieltag 1989/90: FC Carl Zeiss Jena - FC Berlin 1:1

Der "Tänzer" Doll
Sein Trainer kritisierte ihn nicht gerade, ein sonderlich heiteres Gesicht aber machte Peter Rohde auch nicht, als er auf Thomas Doll zu sprechen kam. "Sicher, seine Aktionen sehen immer gut aus. So zielstrebig, wie er in den letzten Wochen gespielt hat, wirkte er aber heute nicht", stellte er unumwunden fest. Er dürfte sich mit diesem Urteil möglicherweise in einem Gegensatz zum Großteil des Publikums gebracht haben. Wenn Doll loslegte, dann hielten die Jenaer Zuschauer den Atem an, so leicht und locker ließ er seine Gegenspieler stehen. Im Stile eines Könners bereitete er auch den Ausgleich vor. Auswahltrainer "Matz" Vogel zeigte sich übrigens auch von Doll angetan. "Er wird möglicherweise gegen Ägypten von Anbeginn seine Chance erhalten", plauderte er aus dem Nähkästchen. Im übrigen steigerte sich in den Reihen der Berliner nicht nur Doll in den zweiten 45 Minuten.

Das gelang auch endlich wieder einmal Ernst, der sich noch zu Beginn weit im Mittelfeld versteckt hielt, später, als zweite Spitze fungierend, entschieden erfolgreicher spielte. Und das nicht allein, weil er den effektvollen Ausgleich mit einem harten Dropkick unter den Balken erzielte. Jena, dies gilt es festzuhalten, hätte diese Partie schon nach einer Stunde gewonnen haben müssen. Die Mannschaft spielte sicherlich nicht zwingend, dazu fehlte ihr an diesem Tag der "Kopf". Aber sie rackerte sich so klare Chancen heraus, daß alles andere als ein Sieg gar nicht zur Diskussion stand. Raab leistete in der 58. Minute glänzend Vorarbeit, als er Weber das Leder praktisch auf das Schußbein servierte. Der aber kanonierte hoch über die Querlatte. Raab selbst ging es Sekunden später nicht besser. Sein Kopfball, von Kosche zur Ecke abgewehrt, war eigentlich ein "sicheres" Tor.

Was die ersten 45 Minuten anbelangt, so kann man über sie nur den Mantel des Schweigens breiten - ein ausgesprochenes Gestocher. Mögliche Gründe dafür, daß später wesentlich gelöster offensiver gespielt wurde, nannte Berlins Trainer Peter Rohde: "Zwei Spiele in einer Woche machen sich schon bemerkbar. Da muß man seinen Kontrahenten schon hin und wieder einmal ziehen lassen, kann ihm nicht permanent auf den Füßen stehen." Trainer Bernd Stange machte ob des Unentschiedens verständlicherweise kein glückliches Gesicht: "Wenn es nach vorn gehen sollte, wirkten wir nicht sicher genug. Angesichts der total umgekrempelten Abwehr vielleicht nicht einmal verwunderlich. Jetzt stehen wir wieder dort, wo wir eigentlich hingehören." Er mag sich trösten, denn einen Mann wie Doll hat nicht jeder Kontrahent zur Stelle. Und dann wird seine Abwehr auch wieder stabiler aussehen...

FC Carl Zeiss Jena:
Bräutigam; Peschke; Szepanski (37. Eschler), Penzel (87. Lesser); Meixner, Holetschek, Böger, Raab, Bürger; Weber, Klee
FC Berlin:
Kosche; Rohde; Fügner, Herzog; Boer (55. Tolkmitt), Backs, Strecker, Ernst, Küttner; Bonan, Doll

1:0 Weber              (43.)
1:1 Ernst              (60.)

Schiedsrichter:        Ziller (Königsbrück)
Zuschauer:             8.500


Rainer Nachtigall, Neue Fußballwoche, 10.04.1990