14. Spieltag 1988/89: HFC Chemie - BFC Dynamo 1:4

Die Pferde gingen durch
Als der HFC am 9. Dezember ´88 nach drei vorausgegangenen Niederlagen mit einem 4:1 gegen Zwickau die 1. Halbserie beendete, herrschte eitel Freude und Sonnenschein. "So kann es ruhig weitergehen", skandierten sie da auf den Rängen des Wabbel-Stadions. Natürlich wußten die Saalestädter sehr wohl, was Sachsenring und den BFC, den Meister, trennt. Aber da war ja das herbstliche 2:2 in Berlin nach einem 0:2-Rückstand! Ergo: nicht Vorsicht war die Mutter der Porzellankiste, nein der Mut gab den Pferden lange Zügel und ließ sie schließlich durchgehen. Und dann wird es allemal gefährlich. Gegen einen "auf allen Positionen besseren Gegner" (so Karl Trautmann) verloren zu haben, braucht die Saalestädter nicht in einen Zustand tiefster Enttäuschung zu stürzen. Aber vor der Rekordkulisse der 21.000 Besucher wollten sie eben mehr!

Und sie stürmten vehement bis hin zum 1:0 und weiter. Das war jener Stil, den Trautmann injizierte, voller Phantasie mit Begeisterung und zur Freude der Ränge. Aber da mußte die Abstimmung da sein, das Miteinander in jeder Situation. Denn wer sich in der Offensive austobte und dem konterstarken Gegner Angriffsflächen mit riesigen Räumen anbot, der mußte neben Mut und Selbstbewußtsein auch Klasseabwehrspieler von Nationalspielerformat in seinen Reihen haben, um die vorzüglich aufgelegten Thom und Doll in der Spitze sowie den nachstoßenden Ernst im Mittelfeld neutralisieren zu können. Vornehmlich nach dem Wechsel gerieten die Gastgeber immer mehr in die Rolle des sich selbst überfordernden Herausforderers!

"Da hingen die Spitzen in der Luft, überzeugte außer Wosz im Mittelfeld niemand mehr, steckten wir tüchtige Ohrfeigen in der Abwehr ein", ließ Trainer Trautmann seiner Kritik freien Lauf. Frisch gewagt war gegen die Berliner nicht gleich halb gewonnen. Dafür stimmte ihr Spielrhythmus, herrschte nur ab und an Verwirrung in der Youngsterabwehr vor Rohde. HFC-Druck beantwortete der BFC mit weitaus stärkerem Gegendruck aus allen Reihen heraus. Vieles sah flüssig, durchdacht aus. Planlosigkeiten im Abspiel stellten die Ausnahme dar. Ernst dirigierte, sorgte mit Pässen für Schwerpunktverlagerungen. Und wenn schon die Dauerläufer Küttner und Fügner in Schußpositionen kamen, läßt sich denken, welche Probleme der HFC erst mit Thom und Doll bekam. "Mit zwei Spitzen künftig weniger ausrechenbar", gab sich Jürgen Bogs optimistisch, erfreut über den gelungenen Auftakt in einem ansehenswerten, vor allem äußerst fairen Treffen.

HFC Chemie:
Adler; Rziha; Wüllbier, Penneke, Lorenz; Tretschok, Schnürer (80. Karl), Wosz; Machold, Schütze (62. Trocha), Schülbe
BFC Dynamo:
Rudwaleit; Rohde; Herzog, Zöphel, Köller; Backs (72. Albrecht), Küttner, Ernst, Fügner; Doll, Thom

1:0 Wosz               ( 5.)
1:1 Thom               (13.)
1:2 Albrecht           (75.)
1:3 Thom               (83.)
1:4 Doll               (86.)

Schiedsrichter:        Roßner (Gera)
Zuschauer:             21.000


Günter Simon, Neue Fußballwoche, 28.02.1989