02. Spieltag 1988/89: BSG Wismut Aue - BFC Dynamo 2:2

Meister einen Punkt entrissen
Also, für Gesprächsstoff sorgt der neue Wismut-Trainer schon. Das kann ihm niemand absprechen. In Zwickau mußte er sich wegen allzu häufiger Temperamentsausbrüche den Rest des Spiels aus dem Tunneleingang ansehen, diesmal ging Uli Schulze vor dem Anpfiff erst einmal in die Fankurve, um den eigenen Anhang zu "aktivieren", auf das schwere Spiel gegen den Meister "einzustimmen", wie er hinterher erläuterte. Wohl wissend, daß die Leistung der Mannschaft aus dem Lößnitztal seit jeher vor allem auf einem emotionalen Fundament steht, auf der Wechselwirkung zwischen Mannschaft und begeisterungsfähigem Publikum. Dem indes blieb ob der ersten 30 Minuten des Meisters regelrecht die Spucke weg. Was Thom da an Dribblings, an Finten, überraschenden Torschüssen hinlegte, das hätte andernorts zu Beifallsstürmen Anlaß gegeben.

In unseren Breiten ist man leider außerstande, derartige Vorstellungen mit Applaus anzuerkennen. Schade! Wie dem auch sei, die Führung des BFC war zu diesem Zeitpunkt hochverdient, weil die Berliner kompakt wirkten, spielerisch ausgewogen, läuferisch dem Gastgeber klar überlegen. Hätten Thom (überlegter Heber an das Lattenkreuz), Küttner, Doll und andere ihre Chancen auch nur zu 50 Prozent genutzt, die "Veilchen" wären nicht mit einem blauen Auge davongekommen. Einmal mehr unerklärlich allerdings dann das Nachlassen der Bogs-Schützlinge, die nach dem Anschlußtreffer durch Mothes sichtlich den Faden verloren. Wie ausgewechselt agierte indessen der Gastgeber. Was fast eine Halbzeit lang zerfahren, ängstlich ausgesehen hatte, wo im Zusammenspiel zwischen Mittelfeld und Angriff wenig genug geklappt hatte, auch in der Deckung manche Lücke zutage trat; das alles war nun plötzlich abgestreift.

Köhler als Vorstopper machte Druck nach vorn. Krauß rackerte wie gewohnt, und Mothes war einfach in jeder Ecke des Spielfeldes zu finden, machte nach Auffassung von Trainer Uli Schulze "ein ganz großes Spiel". BFC-Trainer Jürgen Bogs blieb trotz des wenig erfreulichen Abschlusses aus Berliner Sicht, trotz des erneuten Punktverlustes gelassen. "Leider haben wir fast eine Kopie des HFC-Spiels abgeliefert. Wir werden das auswerten müssen." Tolle Stimmung indes verständlicherweise in der Kabine der Wismut-Elf. "Wir haben uns nach der Pause sichtlich gesteigert", freute sich der zweifache Torschütze Harald Mothes. "Der Punktgewinn ist deshalb sicherlich verdient."

BSG Wismut Aue:
Weißflog; Schmidt; Münch, Köhler, Konik; Krauß, Langer (62. Meier), Bauer; Bittner, Mothes, Bemme (76. Hecker)
BFC Dynamo:
Rudwaleit; Rohde; Köller, Reich, Herzog (70. Ksienzyk); Küttner, B. Schulz, M. Schulz; Thom, Pastor, Doll

0:1 Thom             (27.)
0:2 Pastor           (34.)
1:2 Mothes           (40.)
2:2 Mothes           (83.)

Schiedsrichter:      Roßner (Pößneck)
Zuschauer:           18.000

Rainer Nachtigall, Neue Fußballwoche, 23.08.1988