24. Spieltag 1986/87: BSG Stahl Brandenburg - BFC Dynamo 0:1

Das Siegtor war titelwürdig
Im Stahl-Stadion ist halbherziger Fußball nicht gefragt. Zum Beweis: Am Mittwoch offerierte die Nationalmannschaft ein Klasse-2:0 gegen die CSSR, drei Tage danach lag über 90 Punktspiel-Minuten der Charme individueller Qualität, das Selbstbewußtsein ausdrucksstarker Kollektive. Der gemeinsame Anteil am Niveau war offensichtlich! Meister BFC kalkulierte das Stahl-"Feuer" a priori ein, legte Wert auf Konter. Jürgen Bogs monierte zwar, daß "nicht mit-, sondern nacheinander gespielt, nur einer um den Ball kämpfte, doch nicht alle im geschlossenen Block", aber die Souveränität, die Cleverneß des (fast) neunfachen Titelgewinners besaß viel Überzeugungskraft. Gegen eine Stahl-Elf, der Spielfreude und Kampfentschlossenheit innewohnten, mußten die Hauptstädter zwar mehrere zwingende Torchancen zulassen, sie spielten andererseits genügend heraus, um deutlicher zu gewinnen.

Eine frühe Führung für den BFC (Pastor, Backs, Thom) oder für Stahl (Voß/14., Jeske/29.), Resultatserhöhung durch Doll (74., Pfosten) oder Ausgleichsmöglichkeiten für Jeske (68.) und Pfahl (88.) - die Farbpalette war so bunt wie die eines Malers! Nicht in der Beschränkung auf Minimalkost lag der Schwerpunkt, nein, der Reiz rührte aus der offensiven Spielführung, aus der mobilen Haltung beider Kollektive her. Da ließen sich erstaunliche kämpferische Entladungen (Lindner, Pfahl, Reich, M. Schulz) ebenso notieren wie spielerisches Können (Demuth, Janotta, Thom, Ernst). Niemand gab Pardon (wenngleich zuviel Hektik vor der Pause). Gewinnen hieß die Devise, hier wie da. Ein wahrhaft titelwürdiger 25-Meter-Scharfschuß von Ernst sorgte für die Vorentscheidung. Danach schirmten Rohde und Reich stellungssicher die Räume ab.

Wobei die Hauptstädter auf einen Rudwaleit bauen konnten, dem kein Fehler unterlief. Ihm nach dem Abpfiff spontan zu danken, entsprach den Gegebenheiten einerseits und dem sportlichen Stil der Weinroten andererseits. Peter Kohl lobte treffend, daß "die Mannschaft gab, wozu sie in der Lage war". Sie orientierte sich zu oft auf den linken Flügel, was den Gästen taktisch entgegenkam. Aber sie operierte auch bar jeder Zurückhaltung, forderte die Berliner unnachgiebig heraus. Der kommenden Pokal-Halbfinalaufgabe in Rostock opferten die Havelstädter zu keiner Zeit das Punktspiel-Erlebnis mit dem Tabellenführer. Und das war es, nur leider mit zuviel Ballverlusten und ausgelassenen Tormöglichkeiten durch beide Kollektive. Weinrote Hemden flogen schließlich in den BFC-Fanblock. Freude schoß ins Kraut. Das zu verstehen, war nicht schwer: Innerlich war der BFC auf diese Partie wie auf ein Finale getimt - anspruchsvoll und erfolgreich zugleich!

BSG Stahl Brandenburg:
Zimmer; Ringk; Pfahl, Pahlke, Demuth; Gumtz (77. Uecker), Janotta, Lindner, Kubowitz (60. Winkel); Voß, Jeske
BFC Dynamo:
Rudwaleit; Rohde; Fügner, Reich, Ksienzyk; Backs, Ernst (71. Köller), M. Schulz, Thom; Pastor (79. Herzog), Doll

0:1 Ernst              (38.)

Schiedsrichter:        Gläser (Breitungen)
Zuschauer:             13.000


Wolfgang Hempel, Neue Fußballwoche, 19.05.1987