20. Spieltag 1986/87: 1. FC Lok Leipzig - BFC Dynamo 1:3

Nadelstiche eines Meisters
Die ersten Stiche waren "noch zu zaghaft, zu schüchtern", so Trainer Jürgen Bogs über das Agieren seiner Mannen in der Anfangsphase, doch das auswärtige Terrain und die Erfolgswoge der Leipziger in Meisterschaft und EC geboten selbst von einem gestandenen Meister Vorsicht. Aber sie waren schon aussagekräftig und wiesen den Weg zum späteren Erfolg. Aus der Abwehr klug herausspielen, Sicherheit beim Spielaufbau setzen und dann von der Wendigkeit und dem Antrittsvermögen der Thom und Doll profitieren, deren kreuzgefährliche Eingaben (19., 21., 33.) die blau-gelbe Hintermannschaft in unerwünschte Aufregung versetzten. Ein Spiel lebt über einen gewissen Zeitraum immer mit einem Wenn und Aber. Die Leipziger griffen darauf später auch in der Beurteilung zurück, weil Verläufe nicht selten durch einzelne Aktionen bestimmt werden.

 Leitzkes Möglichkeit nach Scholz-Eingabe (9.), das nicht energische Durchsetzen von Richter gegen Fügner (11.), Scholz´ erneut gefährliche Eingabe (32.) und die Rettungstat von Rudwaleit gegen den auffälligsten Messestädter, Scholz (34.), das Verhaspeln von drei Einheimischen am Elfmeterpunkt (37.), die Reaktionen des Berliner Schlußmannes gegen die Knaller von Lindner (40.) und Zötzsche (43.) waren mögliche Kulminationspunkte in einem harten, aber stets sauber geführten Match, das nur bei zu lokaler Brille anders betrachtet werden konnte. "Wenn uns hier etwas geglückt wäre", sinnierte Hans Richter. Doch die Weinroten machten ihre eigenen Strickmuster. Köller fuhr im Höchsttempo durch den Lockstoff (35.), Ernst sprang am höchsten nach Doppelfehler Müller-Edmond und vorentschied damit den "Saisonhit", der durchaus gutklassige Züge trug, "weil sich beide Mannschaften befleißigten, gut zu spielen und die Partie niemals in Hektik ausarten zu lassen", konnte Chefverbandstrainer Manfred Zapf erfreulich konstatieren.

Der Titelverteidiger beging keine Schnittfehler mehr, weil er eigentlich wie immer in der Stunde der höchsten Anspannung seine (nationale) Stärke demonstrierte: Cleverneß, fast stoische Ruhe, energisches Zweikampfverhalten, Mut zum erfolgreichen Konterfußball. Doll hätte bei seiner Riesengelegenheit vor Müller (43.) schon für den Gewinn sorgen müssen, aber da wurde er dank des Reflexes des Auswahltorwarts noch aufgeschoben, aber Pastors überlegter Paß auf Backs und dessen 12. Saisontreffer, Thoms Solo nach Fehler von Liebers und dann Notfoul vollendeten das Berliner Schnittmuster in Leipziger Umgebung. Trotz vieler Unzulänglichkeiten im Saisonverlauf: Nach diesen Stichen kann der BFC wohl doch schon zur zweiten Anprobe für den (neunten) neuen Meisteranzug gehen. In Rot, was ja mit der große Modehit der Saison ist.

1. FC Lok Leipzig:
Müller; Baum; Lindner, Kreer, Zötzsche; Bredow, Edmond (46. Kühn), Liebers; Leitzke, Richter (62. Marschall), Scholz
BFC Dynamo:
Rudwaleit; Rohde; Reich, Köller, Fügner; Küttner, Ernst, Backs (61. M. Schulz); Thom, Pastor (85. Ksienzyk), Doll

0:1 Ernst              (35.)
0:2 Backs              (72.)
0:3 Pastor             (78., Foulstrafstoß)
1:3 Zötzsche           (87., Foulstrafstoß)

Schiedsrichter:        Kirschen (Frankfurt (Oder))
Zuschauer:             22.000


Jürgen Nöldner, Neue Fußballwoche, 14.04.1987