25. Spieltag 1985/86: FC Carl Zeiss Jena - BFC Dynamo 3:1

Wucht und Kraftreserven ausgespielt
Anschauungsunterricht ist gut, Nachmachen schon schwieriger. Vier tage zuvor hatten die flinken Jenaer Bielau und Lesser studieren können, wie in Berlin die FCV-Sprinter Schnürer und Kuhlee die BFC-Abwehr über die Flanken ausmanövrierten, und sie hatten ihren Part gut gelernt, obwohl die Berliner genau um deren Gefährlichkeit wußten, wie BFC-Trainer Jürgen Bogs einräumte. Dabei mag man debattieren, daß alles vielleicht anders gekommen wäre, hätte Torwart Rudwaleit nicht bei Tor Nr. 2 den Eckball Zimmermanns unterlaufen, so daß Raab zum Kopfball in Position kam. Ein folgenschwerer Fehler, fraglos! Der FC Carl Zeiss machte sich stark, und das gegen den Meister. Die Berliner werden sich das ganz gewiß hinter die Ohren schreiben. Fünfmal in den vorausgegangenen sieben Partien hatten die Thüringer nicht einmal ins gegnerische Tor gezielt, und nun gleich dreimal.

"Es war viel Bewegung und Schärfe im Spiel", lobte Zeiss-Trainer Kurbjuweit, froh, daß seine Mannschaft nach längerer Erfolglosigkeit Zweifel am Selbstwert ausräumte. Vielleicht war das mit Langzeitwirkung der größte Gewinn für die jungen, entwicklungsfähigen Thüringer. Doch die hatten mehr noch zu bieten, auch wenn manches in der attraktiven ersten Halbzeit nur angedeutet wurde, erst in der Schlußviertelstunde konturenschärfer ins Bild rückte. Voran der eine vorzügliche Libero-Rolle spielende Peschke, dynamisch, überlegt, für Überraschungen im Vorwärtsgang sorgend, der schon an einen Schnuphase in seinen guten tagen erinnerte. Unauffällig, ohne zu brillieren, aber eminent mannschaftsdienlich das Mittelfeldpensum von Krause. Impulse für den Angriff gingen von Brauer mit seinen Vorstößen wie vom jungen Penzel mit seinen akkuraten Freistößen aus. Und da spielte neben Lesser eben vor allem Bielau seine Schnelligkeit mit Wucht und Selbstbewußtsein aus, was er in dieser Frühjahrsserie so häufig vermissen ließ.

"In einem guten Spiel waren die größeren Kraftreserven für Jena ausschlaggebend", kommentierte Rudi Glöckner, der DFV-Schiedsrichter-Chef. Lange hielt der BFC den Titel schon in den Händen. Bewußt drosselte er nach der Pause das Tempo. Die Inspirationen von Rohde, von Thom im Angriff fanden nun keine Fortsetzung mehr. Mangelnde Courage resultierte aber wohl weniger aus taktischen Überlegungen denn aus eigenen Schwächen. Da waren nicht nur die groben Deckungsschnitzer, Brestrichs Rückpaß und der Doppelfehler Trieloff-Rudwaleit, die zu den Gegentoren 1 und 2 führten und die BFC-Trainer Jürgen Bogs monierte: "Ungenügende Zweikampfführung, zu geringe Torgefährlichkeit aus der zweiten Reihe und ein zu langsames, nicht druckvoll gestaltetes Mittelfeldspiel." Alles Stolpersteine, die sich der BFC selbst in den Weg legte und nicht überspringen konnte.

FC Carl Zeiss Jena:
Bräutigam; Peschke; Brauer, Röser, Penzel; Krause, Bielau, Raab, Böger; Lesser, Zimmermann (87. Probst)
BFC Dynamo:
Rudwaleit; Rohde; Maek, B. Schulz, Brestrich; M. Schulz, Trieloff, Backs, Thom; Pastor, Ernst

1:0 Bielau             (28.)
1:1 Thom               (30.)
2:1 Raab               (77.)
3:1 Bielau             (79.)

Schiedsrichter:        Prokop (Erfurt)
Zuschauer:             6.400


Wolfgang Hempel, Neue Fußballwoche, 21.05.1986