24. Spieltag 1985/86: BFC Dynamo - FC Vorwärts Frankfurt (Oder) 2:2

"Marschbefehl" für den Libero
Daran hat sich Nationalspieler Frank Rohde in letzter Zeit schon gewöhnt: Wenn der Meister in prekäre (Rückstand-)Situationen gerät, bekommt der BFC-Libero den "Marschbefehl" ins Mittelfeld als Dauerantreiber. Gegen den alten Kontrahenten Vorwärts schon nach gut dreißig Minuten, als es alles andere als zuversichtlich beim geschüttelten Titelanwärter Nummer Eins aussah. Von der einstigen BFC-Stärke - der sicheren Hintermannschaft und dem darauf aufbauenden Spiel - ist einiges abgebröckelt. Weniger im Zentrum, weil B. Schulz durchaus einen zuverlässigen Part anbietet, aber auf den Außenseiten geht die Post gegen die Dynamos ständig mit Torgefahr ab. Frankfurts Sprinterstürmer Kuhlee und Schnürer besaßen dann auch postwendend neben den beiden Toren noch zwei hundertprozentige Torgelegenheiten, aber Kuhlee jagte (zum wiederholten Male) freistehend den Ball am Tor vorbei (5.), und die Neuentdeckung Schnürer scheiterte am sich lang machenden Rudwaleit (38.).

"In dieser Phase zeigte die Mannschaft, daß sie zu Besserem in der Lage ist, als unser gegenwärtiger Tabellenstand ausdrückt", urteilte Vorwärts-Trainer Peter Ukrow. Seine Burschen, größtenteils ja noch grün hinter den Oberliga-Ohren, demonstrierten einen schnellen und gefährlichen Umkehrfußball. Auf den langen Wienhold im Gehäuse war Verlaß. Hause präsentiert sich ohnehin seit Wochen in respektabler Form, so daß die rot-gelbe Abwehrwand dem Gastgeber vorerst nur wenige Durchschlupfmöglichkeiten ließ. Zudem wußten die Gäste von der taktischen Unsicherheit des BFC beim Aufbau einer Abseitsfalle zu profitieren, so daß von der Mittellinie (!) Kuhlee und Schnürer ungestört abdampfen konnten. "Bei der Langatmigkeit und Gleichförmigkeit im Mittelfeld fehlte es uns an Überraschungsmomenten", kritisierte Jürgen Bogs.

Erst Rohde brachte mit seiner Willensstärke und seinem Beharrungsvermögen in Zweikämpfen mehr Druck in diese spielentscheidende Zone. Dadurch wurde die Unterstützung für Ernst und Thom größer. Thom veranstaltete zwar einige Karussellfahrten zuviel, weil er das Dribbling zu oft übertrieb, in letzter Sekunde noch gebremst wurde, doch bei ihm und auch dem Schützen des Ausgleichstores Ernst hatte man wenigstens den Eindruck, daß ihr Streben und Wollen dem gegnerischen Tor galt. Der FCV zeigte nun auch Wirkung, weil das Lösen aus der Umklammerung nur noch mit weiten Schlägen versucht wurde, die Zeit zum Luftholen und Ordnen dadurch geringer blieb. Aber mehr als den Ausgleich ließen die Oderstädter nicht zu. Für den Meister hatte sich Rohdes "Marschbefehl" wenigstens halbwegs gelohnt. Vielleicht sollte Bogs einigen anderen seiner Mannen auch einen in Richtung gegnerisches Tor verpassen; wenigstens symbolisch.

BFC Dynamo:
Rudwaleit; Rohde; Ksienzyk, B. Schulz, Brestrich; Küttner (73. Terletzki), M. Schulz, Backs (55. Kaehlitz), Trieloff; Thom, Ernst
FC Vorwärts Frankfurt (Oder):
Wienhold; Hause; Roth, Krüger, Bitzka; Wunderlich, Schneider, Rudolph, U. Schulz; Kuhlee (70. Duckert), Schnürer

0:1 Schnürer           (31.)
0:2 Kuhlee             (34.)
1:2 B. Schulz          (42.)
2:2 Ernst              (73.)

Schiedsrichter:        Heynemann (Magdeburg)
Zuschauer:             4.500

Jürgen Nöldner, Neue Fußballwoche, 13.05.1986