17. Spieltag 1984/85: BFC Dynamo - BSG Stahl Riesa 9:0

Einbahnstraße ohne Stoppschild
Zweistellig oder nicht? Von dieser Frage hing die Spannung ab, denn was sich ansonsten bot, war ein Einbahn-Spiel auf das Gehäuse des jungen Sven Weigang. Auf dieser Straße stand so gut wie kein Riesaer Stopp-Schild, auch wenn der Stahlschlußmann in einigen Szenen sein Talent andeutete. Aber seine Vorderleute machten den Dynamo-Männern freundlich die Bahn frei. Dabei konnten sich die Gastgeber zwei "Durststrecken" leisten, zwischen dem ersten und zweiten Treffer, "als wir nicht klug genug gestaffelt waren", wie Trainer Jürgen Bogs den kritischen Blick wahrte, sowie zwischen dem letzten und vorletzten Tor, als 25 Minuten kein Erfolg beschieden war. Ohne daß die Dynamos da an Zielstrebigkeit nachließen, es jedoch beim Abschluß an Konzentration mangelte.

Die Thom und Ernst, der auftauende Backs konnten sich nach Herzenslust tummeln. So verwunderte es nicht, daß sie sich besonders um Schönheit bei der Torerzielung bemühten. Thoms Erfolge und Ernsts Fallrückzieher schossen dabei den Vogel ab. Und daß Voß bei seiner zweiten Ballberührung ein Tor glückte, gehört schließlich nicht zum Alltäglichen. über eine "aus allen Fugen geratene Gastmannschaft" (so Trainer Peter Kohl) bleibt nicht viel zu berichten. Gute zwanzig Minuten spielte sie nicht ungeschickt mit, besaß da durchaus durch Jentzsch und Merke auch ihre Konterchancen, aber später gebar sie bloß noch Naivität und Anfängerhaftigkeit. Einer jungen Elf, und das sind die Riesaer in der Tat, können sicherlich Schnitzer unterlaufen, aber was man von ihr erwarten muß, ist wenigstens kämpferisches Aufbegehren. Nichts von dem.

Die Zweikämpfe gingen durchweg verloren, im Strafraum herrschte ein panikhaftes Durcheinander, standen sich die Gäste gegenseitig im Wege. War es übertriebener Respekt oder einfach die Gewißheit, daß in Berlin sowieso nichts zu holen ist? Mitspielen ja, aber in dieser Art will es Kohl wohl kaum von seinen Schützlingen verstanden wissen. Die Berliner nutzten die Gunst der Stunde zu einer freigiebigen Torjagd. Nur einen dreifachen Torschützen gab es nicht, weil dem einzelnen übertriebener Individualismus fremd war. Ernst allein vor Weigang unterstrich es mit seinem Abspiel auf Pastor vor dem 4:0.

Schiedsrichterkollektiv: Nicht einmal der Unparteiische hatte Mühe. Henning muß bei Abseits mehr Obacht geben.


BFC Dynamo:
Rudwaleit; Rohde; Ksienzyk, Schulz, Ullrich; Grether (59. Voß), Trieloff (53. Terletzki), Backs; Pastor, Ernst, Thom
BSG Stahl Riesa:
Weigang; Dünger; Zschiedrich, I. Pfahl, Braune; Drewniok (56. Martick), Mecke, Kerper (72. Hennig); J. Pfahl, Jentzsch, Winkel

1:0 Ernst              ( 2.)
2:0 Thom               (30.)
3:0 Pastor             (31.)
4:0 Pastor             (36.)
5:0 Backs              (38.)
6:0 Ernst              (51.)
7:0 Thom               (56.)
8:0 Voß                (60.)
9:0 Backs              (85.)

Schiedsrichter:        Herrmann (Leipzig)
Zuschauer:             5.000


Jürgen Nöldner, Neue Fußballwoche, 12.03.1985