15. Spieltag 1984/85: BFC Dynamo - BSG Chemie Leipzig 5:1

Noch unmittelbar vor Spielbeginn saß ein halbes Dutzend Chemie-Spieler auf dem gefrorenen Rasen und probierte aus, welche Schuhe denn nun am vorteilhaftesten für dieses Geläuf wären. Trotz des lang andauernden Tests - die meisten müssen sich vergriffen haben, denn im Gegensatz zu den Berlinern rutschten die Gäste zumeist just in dem Augenblick weg, in dem es darauf ankam. Was sich - möglicherweise auch aus diesem scheinbar simplen Grund - an Unsicherheiten in der engeren Abwehr häufte, überschritt das Maß des Erträglichen bei weitem. Selbst Saumsiegel und Illge, ansonsten immer zu den Stützen der Chemiker zählend, waren diesmal nicht frei davon. Die Vorbereitung zum ersten Treffer der Berliner besorgten sie in schöner "Gemeinschaftsarbeit" selbst. Im Angriffswirbel des Meisters verloren zudem auch einige Spieler im übertragenen Sinne an Standfestigkeit.

"Sie kamen nicht im entferntesten an ihre Leistungsgrenze. Wir werden das auswerten", kündigte Gerd Struppert an. Und sicherlich wird er mit seiner Kritik zuerst bei den Angreifern beginnen. Die ließen es an fast jeder Initiative fehlen, mit dem "Erfolg", daß sich auch die Berliner Verteidiger nach Herzenslust mit in die Offensive einschalten konnten und damit die Sorgen der Chemie-Abwehr noch erhöhten. Ksienzyk stieß da mehrmals gefahrbringend wie ein Flügelstürmer bis zur Grundlinie vor; Schulz schummelte sich nicht nur bei Standards wie gewohnt in den gegnerischen Strafraum; Backs gar, zuletzt nicht gerade in berauschender Form, nutzte die ihm gebotenen Räume zu einer Vorstellung, die an seine besten Spiele erinnerte. Zwei Tore mit Eckbällen vorbereitet - zwei selbst geschossen! Was will der Trainer mehr?

Jürgen Bogs genügte das auch. Er bescheinigte Backs "eine beeindruckende Steigerung gegenüber den vorangegangenen Spielen". Da fiel es nicht einmal ins Gewicht, daß weder Hirsch noch Trieloff mithalten konnten. Trieloff versuchte ganz einfach zuviel aus dem Stand zu machen. Kritik mußten sich auch Rainer Ernst und Andreas Thom gefallen lassen, "von denen ich einfach mehr erwartete", wie Jürgen Bogs unumwunden feststellte. Das Bemühen aber kann man auch diesen beiden nicht absprechen. Ernst setzte im Schlußgang alles daran, "sein" Tor doch noch zu machen. Daß es ihm nicht gelang, war auch ein Verdienst seines Gegenspielers Kinne, der der beste Chemiker war. Er allein aber konnte nichts daran ändern, daß der Meister diesmal "eine Nummer zu groß für uns war", wie Struppert unumwunden zugab.

Schiedsrichterkollektiv: Scheurell und seine beiden Helfer an der Linie besaßen in keiner Weise Schwierigkeiten mit dieser Partie. Vielleicht hätte Scheurell etwas eher die gelbe Karte ziehen sollen, da Ernst einige Male ziemlich grob attackiert wurde. Da die Chemiker aber dabei "im strengen Wechsel" vorgingen, erwischte es Fritzsche ziemlich spät.


BFC Dynamo:
Rudwaleit; Rohde; Ksienzyk, Schulz, Ullrich; Hirsch, Trieloff (60. Terletzki), Backs; Pastor, Ernst, Thom
BSG Chemie Leipzig:
Saumsiegel; Illge; Barth
, Kinne, Fritzsche ; Reimer, Scholz, Ferl; Weiß (64. Hanke), Fischer, Leitzke

1:0 Pastor             (21.)
2:0 Schulz             (26.)
3:0 Backs              (42.)
4:0 Thom               (57.)
4:1 Leitzke            (68.)
5:1 Backs              (73.)

Schiedsrichter:        Scheurell (Wusterhausen/Dosse)
Zuschauer:             5.000


Rainer Nachtigall, Neue Fußballwoche, 26.02.1985