11. Spieltag 1983/84: SG Dynamo Dresden - BFC Dynamo 1:2

Der kleine Unbekannte schlug zu
Sein Auftauchen löste Verblüffung aus. Wer war er, der kleine Unbekannte mit der Nummer 16? Als man sich auf der Pressetribüne noch nach der richtigen Schreibweise seines Namens erkundigte, schlug er schon zu. Überraschend und präzis. Duett mit Ernst an der rechten Außenlinie, dann zog der lange Mittelstürmer ab. Jakubowski, hochgradig nervös über das ganze Spiel, vermochte das scharf geschossene Leder nur nach vorn abzuwehren, und dann war Grether da. Juniorenspieler noch, und zuletzt beim zweiten Vergleich gegen die CSSR ebenfalls schon Torschütze. Aber das wußten zu diesem Zeitpunkt nur Statistiker. Trainer Bogs gab später zu, diese Auswechslung nur vorgenommen zu haben, "um Zeit zu schinden".

Es stellte dem BFC aber ein gutes Zeugnis aus, daß selbst die heurigen Hasen in dieser Umgebung nicht die Übersicht verloren. Die Haudegen taten das schon lange nicht! Zum Beispiel in der Abwehr: Nach wie vor ist sie das Glanzstück des Meisters. Es verdient schon Anerkennung, wie die Berliner den langen Ausfall von Trieloff wegsteckten. Das Duo Rohde/Troppa war in Dresden nur höchst selten auszuspielen, weil beide ausgesprochen clever im Zweikampfverhalten sind, sich auch von solchen listigen Füchsen wie Pilz (glanzvolle Soli über die gesamte Spielzeit) oder Dörner nicht ausmanövrieren ließen. Auch Minge, in unseren Breiten einer der "Herrscher der Lüfte", sah sich von den beiden BFC-Abwehrrecken durchgängig gestört.

Und was dann noch auf das Tor kam, wurde eine sichere Beute Rudwaleits, der sich in glänzender Verfassung vorstellte. Zum Beispiel im Mittelfeld: Hier verzeichneten die Akteure des Gastgebers zumindest im ersten Abschnitt Vorteile in der konstruktiven Spielgestaltung. Nicht zuletzt, weil sowohl Pilz als auch Häfner immer in der Lage sind, sich aus der Manndeckung zu lösen, Überraschungsmomente zu schaffen. Das gelang ihnen auch diesmal. Sie wurden dann aber etwa 30 Meter vor dem Berliner Gehäuse energisch gestellt, mußten häufig quer spielen, und gingen damit zwangsläufig das Risiko von Ballverlusten ein.

Führte dies in den ersten 45 Minuten nur sporadisch zu BFC-Kontern, im zweiten Abschnitt waren die dann nicht nur zahlreicher, sondern auch präziser. Zum Beispiel im Angriff: Ernst stand lange vorn allein auf weiter Flur, weil ihm kaum Unterstützung zuteil wurde. In der Schlußphase aber wies er nach, warum er stets mit einer Doppeldeckung versehen wurde. Und: er kann auf seine Chance bis zum letzten Moment warten! Auch das zeichnet einen Spieler von Klasse aus. Der BFC hat dieses Spiel am Ende glücklich gewonnen. Aber mit Fortuna allein wäre den Dresdnern auf die Dauer kein Widerstand entgegenzusetzen gewesen. Und die Gastgeber verloren ja nicht das erste Mal auf diese Weise...

Schiedsrichterkollektiv: Auf eine Kurzformel gebracht: Kulicke wies in diesem gewiß nicht leicht zu leitenden Spiel nach, daß er nach wie vor zu den Besten in diesem Metier gehört. Daß er auch "lernfähig" ist, unterstrich er mit bewußt sparsamen Gesten. Demmes zu spätes "Schalten", als er eine Abseitsstellung von Schulz nicht anzeigte, mindert das Urteil über eine ausgewogene Leistung des Kollektivs in keiner Weise.


SG Dynamo Dresden:
Jakubowski; Dörner; Trautmann
, Schmuck, Schuster; Häfner, Pilz, Schade; Schülbe (71. Döschner), Minge, Gütschow
BFC Dynamo:
Rudwaleit; F. Rohde; Noack, Troppa, Rath; Terletzki, Backs, Thom █ (87. Grether); Schulz, Ernst, Netz (85. Ullrich)

0:1 Netz               (75.)
1:1 Trautmann          (83.)
1:2 Grether            (89.)

Schiedsrichter:        Kulicke (Oderberg)
Zuschauer:             38.000


Rainer Nachtigall, Neue Fußballwoche, 29.11.1983