05. Spieltag 1982/83: BFC Dynamo - SG Dynamo Dresden 3:3

Jeder gewann die Aufholjagd
Allein die Torfolge kennzeichnet die Dramatik des Geschehens. 0:1, 0:2, 1:2, 2:2, 3:2, 3:3 - das erlebt man nicht alle Tage. Und was da geboten wurde, das war in der Tat ein Erlebnis, ein rauschender Ballabend, an dem man seine ungetrübte Freude haben mußte. Trotz des Fehlens von Pilz und Schmuck nahm der Pokalsieger den Fehdehandschuh auf, setzte auf die Jugend. Und er verkraftete auch noch den Ausfall von Jakubowski, der sich ohne Verschulden eines Gegenspielers eine Verletzung am Schlüsselbein zuzog. Erfreulich, wie da Klimpel in die Bresche sprang, der im Frühjahr nur zweimal in der Oberliga eingesetzt wurde. "Bei uns gibt's keine Ersatzleute", flachste Bernd Jakubowski, als er über die Leistung seines Nachfolgers urteilen sollte. Tatsächlich war es bemerkenswert, wie Klimpel hielt.

Ob Riedigers Fallrückzieher (20.), Rohdes Schuß (21.), Netz' Kopfball (30.), Riedigers Kopfball (35.), Terletzkis Weitschuß (60.) - nichts schien für den 26jährigen Schlußmann ein Problem, alles war vielmehr für ihn eine Selbstverständlichkeit. Hier wurden Kräfte frei, die wir in unserem Fußball weit mehr nutzen müssen, nicht nur dann, wenn es gilt, aus der Not eine Tugend zu machen. Auf der anderen Seite war das nicht anders. Als Beispiel dafür mag Rohde dienen, der vielseitig verwendbare Akteur, der diesmal im Mittelfeld für zahlreiche technische Delikatessen sorgte, später als spielender Mittelstürmer überzeugte. Wie er sich steigerte, das verdiente Anerkennung. Diese so lange schlummernden Kräfte zu wecken und ihnen die Möglichkeit zur Bewährung zu geben, das muß überall Praxis werden. Sowohl die Berliner als auch die Dresdener scheuten diese Risiken nicht, und sie wurden belohnt dafür. Die BFC-Anhänger lernten ihre Mannschaft in einer neuen Rolle kennen: in der des Verfolgers.

Das 0:2 zwang den Meister dazu. Wie er aus diesem Rückstand ein 3:2 werden ließ, das war beachtlich. Druckfußball aus allen Reihen führte dazu, lange intelligent vorgeführt. Dank der Trieloff und Noack, der Rohde und Terletzki, dank des Laufwunders Backs vor allem, der an diesem Abend fast so glänzte wie Minge. Später allerdings ließ es der BFC am Spiel über die Flügel vermissen. Und nach dem 2:3 nahmen die Dresdener nicht minder gekonnt die Verfolgung auf. Was zuvor nach der Pause nur in Ansätzen erkennbar war - Trautmanns Schuß nach glänzendem Dörner-Paß (53.) u. a. - das schaffte dann Minge. Und wie! So gewann jeder seine Aufholjagd. Der Meister die nach dem 0:2, der Pokalsieger die nach dem 2:3. Das stimmte nicht nur versöhnlich, das entsprach auch in jeder Beziehung den Leistungen. So nahm dieses Treffen, was nicht immer der Fall ist, ein logisches Ende. Denn: Dieses Spiel verdiente einfach keinen Verlierer!

Schiedsrichterkollektiv: Der Unparteiische leitete eine Halbzeit lang sehr gut, dann schwankte er zu sehr zwischen kleinlichem und großzügigem Amtieren, hielt seine zunächst gezeigte Linie nicht konsequent durch. Bei Trieloffs Foul an Döschner (11.) schien Gelb angebracht. Zu den Strafstößen sagte er: "Erst stieß Schülbe Bachs unkorrekt von hinten weg, dann spielte Mittag den Ball klar mit der Hand." Ein durchweg faires Treffen.

Trainer urteilen - Joachim Hall (BFC Dynamo):
Ein gutes Spiel mit einer Reihe von attraktiven Kombinationen auf beiden Seiten. Wir nutzten die von uns herausgespielten Chancen nicht konsequent genug. Nach dem schnellen 0:2 mußten wir auf Verfolgungsjagd gehen, alles riskieren. Dabei bewies unsere Mannschaft Moral und Können. Allerdings klappte das Umkehrspiel nicht immer, ließ auch das Abwehrverhalten einiger unserer Spieler zu wünschen übrig. Insgesamt wurde beiderseits sehenswerter Fußball geboten.

Eduard Geyer (Dynamo Dresden):
Das war ein richtiges Zuschauerspiel mit teilweise herrlichen Toren, wenn ich an Minges Kopfball denke. Nach dem unerwarteten 2:0 war für uns mehr möglich. Hier zeigte sich, daß wir noch nicht clever genug sind, auch nicht, was unsere Konter betrifft, die eben präziser abgeschlossen werden müssen. Dennoch, wir haben einen Punkt gewonnen, mischen weiter oben mit, verkrafteten auch den Ausfall Jakubowskis durch Klimpels gute Reaktionen. Phasenweise Klassefußball.


BFC Dynamo:
Rudwaleit; Trieloff; Noack, Troppa, Ullrich; F. Rohde, Terletzki, Backs; Riediger, Schulz, Netz (69. Ernst)
SG Dynamo Dresden:
Jakubowski (23. Klimpel); Dörner; Schuster, Trautmann, Mittag; Häfner, Schmidt, Döschner; Schülbe, Minge, Losert (82. Gütschow)

0:1 Minge            (10.)
0:2 Dörner           (12.)
1:2 Schulz           (15.)
2:2 Ullrich          (41., Foulstrafstoß)
3:2 Ullrich          (72., Handstrafstoß)
3:3 Minge            (74.)

Schiedrichter:       Habermann (Weißensee)
Zuschauer:           17.000


Autor nicht bekannt, Neue Fußballwoche, 14.09.1982