22. Spieltag 1978/79: FC Carl Zeiss Jena - BFC Dynamo 0:0

Im Dauerdruck nicht zerbrochen
Wer, wie der FC Carl Zeiss Jena am Sonnabend danach trachtet, den BFC ernsthaft in Bedrängnis und möglicherweise an den Rand der ersten Niederlage zu bringen, muß genau abwägen: Zwischen dem aus (durchaus verständlichen) Ehrgeiz resultierenden Angriffsdrang und der Notwendigkeit, das eigene Tor gegen die blitzschnellen, überfallartigen Konter der Berliner abzuschirmen. Spätestens nach acht Minuten, als Lauck einen Steilpaß auf den sich rechts im freien Raum sofort lösenden Riediger schlug, war Jena hinreichend gewarnt, diesem taktischen Problem höchste Aufmerksamkeit zu schenken. Und es betraf im einzelnen Kurbjuweit, der dem Berliner Nationalspieler zwar in weiteren vier Fällen (26., 63., 84., 85.) Schnelligkeitsvorteile zugestehen mußte, sich mit bravourösem Einsatz aber mehr und mehr zu einem Sicherheitsfaktor im Jenaer Spiel entwickelte. Es war für den Ablauf des zeitweise turbulenten Geschehens mit überwiegend kämpferischen Akzenten von großer, vielleicht sogar ausschlaggebender Bedeutung! Von einem gutklassigen Treffen wagte niemand zu sprechen. Warum?

"Dafür bestimmten die Deckungsreihen hier wie da zu klar die Szenerie, erfüllten beide Mannschaften in der Angriffsgestaltung aus dem Mittelfeld heraus doch nicht die erwarteten Ansprüche", schätzte Karl-Heinz Benedix, der Vorsitzende der Rechtskommission im DFV, ein. Das ebenso treffende Urteil von Auswahltrainer Georg Buschner: "Ich hatte von dem so überlegen an der Spitze liegenden BFC eigentlich vorausgesetzt,, er werde über gelegentliche Ansätze zum Konter hinaus auch eine spielbetonte Einstellung finden." Schlußfolgernd daraus: So frisch, seiner Mittel im zermürbenden Tempospiel sicher wie in der lang anhaltenden Erfolgsphase der Monate zuvor, wirkt der Spitzenreiter gegenwärtig nicht mehr. Es wurde spürbar bei Terletzki, der sich von Krauses unerschrockener Gangart doch lähmen ließ, bei dem gegen Weise zu unbeweglich wirkenden Pelka, aber auch bei Brillat und Artur Ullrich, denen über Deckungsdisziplin hinaus der für die mannschaftliche Geschlossenheit unersetzliche konstruktive Zug fehlte.

Diesmal verdiente sich der BFC den Gewinn eines Punktes im wohl "schwersten Test auf gegnerischem Boden" (Cheftrainer Dr. Dieter Fuchs) in allererster Linie mit hoher Kampfmoral, mit Einsatz und unerschütterlicher Courage im kaum nachlassenden Jenaer Angriffsdruck. Die Elf wankte dabei nicht! Was beim FC Carl Zeiss Lindemann, Hoppe, Krause, Raab und Töpfer an Fleißarbeit verrichteten, forderte allen Respekt heraus. Aber im strategischen, klugen Verhalten stand Lindemann in guter Abstimmung mit Schnuphase, Weise und dem wiederum unaufhörlich drängenden Brauer ziemlich allein auf weiter Flur. Problem Nummer 1: Wenig Zweikampfgewinne in der Spitze, unzureichende Erfahrung, um sich erfolgverheißend aus dem engmaschigen Abwehrnetz der Berliner zu lösen. Und: Die Relation zwischen Aufwand und Nutzen, sprich klar herausgespielten Chancen, war denkbar ungünstig. Töpfers Schuß gegen den Pfosten (44.), von Lindemann im Nachsetzen nicht zum durchaus möglichen 1:0 genutzt, Raabs Kopfball aus der Bedrängnis über das Gehäuse (62.) schockten Rudwaleit nicht. Jena strapazierte sich im ständigen Vorwärtsgang zwar bis zum letzten, aber im Gefühl, diese Partie gewinnen zu können, wurde man dabei kaum bestärkt!

FC Carl Zeiss Jena:
Grapenthin; Schnuphase; Brauer, Weise, Kurbjuweit; Hoppe (70. Neuber), Lindemann, Krause; Töpfer, Raab, Sengewald (55. Vogel)
BFC Dynamo:
Rudwaleit; Trieloff; Noack, Artur Ullrich, Troppa; Terletzki, Lauck (81. Jüngling), Brillat; Pelka, Riediger, Netz

Schiedsrichter:        Henning (Rostock)
Zuschauer:             15.000

Dieter Buchspieß, Neue Fußballwoche, 19.05.1979