21. Spieltag 1978/79: BFC Dynamo - FC Rot-Weiß Erfurt 5:3

Erst eingenickt, dann aufgetrumpft
Ganze 120 Sekunden trennten den FC Rot-Weiß davon, einen Bann zu brechen. Aber der BFC kam schließlich doch noch um seinen ersten Punktverlust auf eigenem Boden in dieser Saison herum (das letzte Stoppzeichen im Jahn-Sportpark setzte Dresden am 20. Mai 1978 mit einem 2:2). Mit einem 2:0-Pausenvorsprung als Rückenstärkung glaubten die Berliner offenbar, daß die restliche Spielzeit eine Pflichtübung sei. Als sich Mitte der zweiten Halbzeit gähnende Langeweile breitmachte, wechselte die Szene mit verblüffender Schnelligkeit. Daran hatte ein vom Dynamo-Trainer gar nicht nominierter Spieler wesentlichen Anteil: Bruder Leichtsinn. "hinten wurde ja förmlich geschlafen", kritisierte Hans-Jürgen Riediger später zu Recht. Der 27fache Nationalspieler hatte es offenbar vor dem Erfurter 2:1 bereits im Gespür, wie wackelig die eigene Deckung war.

In der 57. Minute rettete er bei einem Schuß des tatendurstigen Birke für den schon bezwungenen Rudwaleit auf der Linie. Der Gastgeber wollte allerdings dieses deutliche Warnzeichen nicht zur Kenntnis nehmen. Er wurde um so unsanfter innerhalb weniger Minuten aus seinen Siegesträumen gerissen. Nach seinem vorangegangenen Zuckeltrab mußte der Favorit annehmen, er sei plötzlich auf eine Rennbahn geraten. Geradezu mit Sturmgebraus fegten die Erfurter durch die Reihen der renommierten Kontrahenten. Goldbachs Kopfball nach Birke-Solo mit Flanke ergab den Anschluß; Heuns 2:2 entsprang prächtiger Vorarbeit des 22jährigen, von Motor Weimar delegierten Romstedt (im Vorjahr noch bei der Bezirksklasse-Mannschaft Traktor Fredersdorf); das 3:2 erzielte wiederum Heun, als Rudwaleit einen Linde-Schuß an den Pfosten gelenkt hatte.

"In diesem Augenblick dachte ich, das sei die erste Niederlage", bekannte später Jürgen Bogs freimütig. Die Berliner zeigten jedoch, daß sie trotzdem eine Antwort wußten. Besonders Noack, Terletzki, auch der indisponierte Lauck (der eigentlich nicht durchspielen sollte), der eingewechselte Brillat, Netz und in erster Linie Riediger gingen das Tempo mit, bewiesen, daß sie zu kontern verstehen. Nach Riedigers Kopfball zum 3:3 auf Noack-Maßflanke hoffte Rot-Weiß, wenigstens ein Unentschieden zu behaupten. In dem offenen Schlagabtausch hatte der BFC mehr Übersicht, die stärkeren Nerven und einen Riediger, der mit seinem Hat-Trick vergessen machte, daß er sich beinahe eine Stunde lang nicht sonderlich zur Geltung brachte.

BFC Dynamo:
Rudwaleit; Trieloff; Noack, Troppa, Artur Ullrich; Terletzki, Lauck, Jüngling (69. Brillat); Riediger, Sträßer (57. Pelka), Netz
FC Rot-Weiß Erfurt:
Oevermann; Egel; Birke, Göpel, Teich; Iffarth, Fritz, Goldbach (66. Linde); Heun, Romstedt, Schröder

1:0 Terletzki          (11., Handstrafstoß)
2:0 Sträßer            (45.)
2:1 Goldbach           (62.)
2:2 Heun               (66.)
2:3 Heun               (68.)
3:3 Riediger           (72.)
4:3 Riediger           (88.)
5:3 Riediger           (90.)

Schiedsrichter:        Stenzel (Senftenberg)
Zuschauer:             8.000

Hans-Günter Burghause, Neue Fußballwoche, 12.05.1979