11. Spieltag 1978/79: SG Dynamo Dresden - BFC Dynamo 1:1

Es war die bewundernswerte kämpferische Energie jenes 2:0 gegen Partizan Belgrad (EC I) vom September, die der Meister auch dem Oberliga-Spitzenreiter anbot. Die Jugoslawen hielten dem Angriffsdruck der Dörner-Elf nicht stand, der bislang ungeschlagene BFC vermochte dies nicht nur, sondern verstand sich außerdem auch auf hochkarätige Konter - mir scheint dies ein Niveaubeweis für unsere Spitzenmannschaften zu sein, für ihren modernen Stil, für ihre respektabnötigende Spielgestaltung! Wenn die Hauptstädter aus Dresden einen hochwichtigen Punkt entführten, an einem Tag, an dem Dynamo seinem verpflichtenden Meister-Ruf alle Ehre machte, dann sprach das für das Selbstbewußtsein, für die Spannkraft der Berliner. Dresden war durch die Vorjahrsresultate (1:2 in Dresden, 2:2 in Berlin) hinreichend gewarnt.

"35 Minuten spielten wir so konzentriert wie seit langem nicht. Daß wir in dieser Phase kein Tor erzielten, war vielleicht der einzige Mangel", resümierte Dynamo-Cheftrainer Wolfgang Haustein. Der Mangel hatte Ursachen: "Kotte war die Ausnahme, ansonsten wurde unsere Angriffskalamität offensichtlich", so Trainer Gerhard Prautzsch. Nach langer Verletzungspause besaß M. Müller nicht die Elastizität, um die BFC-Abwehr auszuspielen. Auch Routinier Heidler beließ es lediglich bei drei, vier Versuchen. Sicherlich, Dresden war um spieltechnische Mittel nicht verlegen. Die Elf spielte weiträumig und schwerpunktverlagernd (Dörner, Schade) wie auch kombinationssicher auf kurzem Raum (Häfner). Aber das Teamwork hatte keinen Feinschliff, manche Scharte störte.

Von Minute zu Minute, vornehmlich nach dem Wechsel, wurde spürbar, wie sehr die Mannschaft den Laufaufwand, die trickreichen Bewegungen Riedels (nach drei Verwarnungen gesperrt) im gegnerischen Deckungszentrum vermißte. Was Dörner initiierte, Schade aufopferungsvoll fortsetzte und Kotte trotz harter Gegenwehr in druckvolle Angriffsaktionen ummünzte, war aller Ehren wert. Physisch ging Dresden bis an die Grenze seiner Möglichkeiten. Zu unterschiedlich waren die Gastgeber jedoch auf den bedingungslosen Fight orientiert. An dieser Erkenntnis kommen sie nicht vorbei. Wer die Offensive suchen muß, weiß auch um das Risiko, von gegnerischen Kontern überrascht zu werden. Das "Problem Riediger" bürdete Prautzsch diesmal Helm auf, da Weber vor einem Jahr mit dem Berliner seine liebe Mühe hatte. "Gegen den derzeit besten, antrittsschnellsten DDR-Stürmer erfüllte Helm durchaus meine Erwartungen", lobte Prautzsch das taktische Geschick seines Linksverteidigers.

Riediger vollends zu neutralisieren, sah sich auch Helm außerstande (wer kann das gegenwärtig in der Oberliga schon?). Dafür war der BFC-Rechtsaußen zu explosiv, geradlinig und entschlossen. Es verwunderte keineswegs, daß die Gäste auch diesmal die besseren Chancen verbuchten, weil sie entschlossen, geschickt in die Tiefe des Raums hineinstießen. Wie Netz (41.) und Riediger (84.) allerdings die tollsten Einschußchancen, frei vor Boden oder vor dem leeren, entblößten Dynamo-Tor, ausließen, war keine gelungene Selbstdarstellung ihrer nachweislichen Torjäger-Qualitäten. Der Tabellenführer widerstand starkem Druck, scheute kein Risiko (das von zahlreichen unmotiviert verursachten Eckbällen zum Beispiel), blieb, weil durch nichts verunsichert, stabil. Das machte ihn, trotz des 1:1, am Ende zu einer Elf im Jubel.

SG Dynamo Dresden:
Boden; Dörner; Weber, Schmuck, Helm; Häfner, Trautmann, Schade; M. Müller (53. Richter), Kotte, Heidler (73. Sachse)
BFC Dynamo:
Rudwaleit; Trieloff; Noack, Brillat, Artur Ullrich; Terletzki, Troppa, Eigendorf; Riediger, Pelka (87. Lauck), Netz (57. Jüngling)

1:0 Schade             (57.)
1:1 Riediger           (68.)

Schiedsrichter:        Scheurell (Wusterhausen)
Zuschauer:             33.000

Günter Simon, Neue Fußballwoche, 02.12.1978