09. Spieltag 1978/79: BFC Dynamo - FC Carl Zeiss Jena 1:0

Ein Tempo ohnegleichen
Der kesse Zeichenstift Freund Edward Alaszewskis tanzte munter über den Block, hielt die markanten Konturen einiger Jenaer Spieler fest. Zwischen einigen Strichen lobte der polnische Zeichner: "Ein derartiges Tempo habe ich bei uns in einem Oberligaspiel lange nicht gesehen. Es war eine packende, reizvolle Partie, die einen korrekten Ausgang nahm. Mir imponierte der Einsatz aller Spieler, und als Freund klassereinen Stürmerspiels muß ich Riediger ein besonderes Kompliment machen." Und er schnalzte mit der Zunge, so, als ließ er sich darauf noch einige der hervorstechendsten Szenen zergehen. Es ist vielleicht ganz nützlich, hin und wieder einmal einen neutralen Beobachter zu zitieren, um ein über den Dingen stehendes Urteil zu erhalten. Dennoch sollte aus unserer Sicht hinzugefügt werden: Der kämpferisch akzentuierte Einsatz, das läuferische Verausgaben nahezu aller Akteure setzte sich nicht immer in gleichwertige spielerische Aktionen um.

Freilich muß man gerade bei diesem Treffen die besondere Konstellation berücksichtigen (der Rekord des BFC, die Generalprobe der Jenaer vor dem nächsten UEFA-Cupspiel), doch ein wenig mehr Angriffsschwung der Gäste hatte man schon erwartet. "Unser Angriff blieb tatsächlich unter seinen Möglichkeiten, setzte kaum einmal fort, was unsere Abwehr begann", kritisierte dann auch Cheftrainer Bernd Stange. Von einem Herausforderer nimmt man an, daß er seine Chance sucht, ob im Konter oder durch Dauerdruck. Nun, der FC Carl Zeiss befand sich in dieser Rolle. Zwar schien Dauerdruck kein probates Mittel gegen den Spitzenreiter, doch die Konter waren an den Fingern einer Hand abzuzählen: vier Schüsse, darunter einer an den Pfosten (Vogel, 43.). Freilich hatten die Gäste mehr noch auf der Habenseite zu verbuchen: das umsichtige Liberospiel Schnuphases, das selbstbewußte Agieren von Sengewald im Mittelfeld und vor allem die großartige Leistung Grapenthins, die jedem Respekt abnötigte.

Doch weder Noack noch Lindemann und schon gar nicht Raab konnten daran anknüpfen. So war der souveräne Spitzenreiter eben nicht zu gefährden. "Wir ließen dem Führungstreffer nicht das erlösende 2:0 folgen, obwohl wir Chancen genug besaßen. Deshalb fehlte es uns an der nötigen Lockerheit", bemängelte BFC-Trainer Jürgen Bogs. Die rechte Seite der Berliner übertraf diesmal die anderen Achsen bei weitem: der spritzige Noack, der erfreulich kaltschnäuzig aufspielende Troppa, der alles überragende Riediger, der weder von Noack noch später von Brauer in seinem Tatendrang entscheidend einzuengen war. Riediger spielte sowohl Netz (20., 30., 38.) als auch Pelka (23.) mustergültig frei. Doch die Torjäger scheiterten weniger an der guten Zeiss-Deckung, sondern vielmehr an ihrer eigenen Unentschlossenheit.

Ja, Pelka traf selbst aus Nahdistanz nicht das Tor, nachdem Grapenthin bei Terletzkis Freistoß den Ball ein einziges Mal aus seinen Händen gleiten lassen mußte (50.). Möglichkeiten, die Hans Meyer zu der sachlichen Einschätzung führten, daß der BFC-Sieg hochverdient war, sogar noch deutlicher hätte ausfallen können. Wenn das nicht der Fall war, so allerdings auch deshalb, weil Eigendorf und Terletzki diesmal in der vorbereitenden Zone zu viele Abspielfehler unterliefen, sie sicherlich dem hohen Tempo zu sehr Tribut zollen mußten. Wer hohe Ziele ansteuert, muß sich entsprechenden Forderungen stellen, mit eben diesen Maßstäben gemessen werden. Und da wurden noch Reserven sichtbar, die im spielerischen Bereich liegen und schrittweise genutzt werden müssen. Was keinerlei Abstriche an dem Lob unseres polnischen Freundes bedeutet.

BFC Dynamo:
Rudwaleit; Trieloff; Noack, Brillat, Artur Ullrich; Troppa, Terletzki, Eigendorf; Riediger, Pelka, Netz
FC Carl Zeiss Jena:
Grapenthin; Schnuphase; Brauer, Weise, Noack; Krause, Sengewald, Lindemann; Trocha (78. Kurbjuweit), Raab (67. Töpfer), Vogel

1:0 Terletzki          (12., Foulstrafstoß)

Schiedsrichter:        Prokop (Erfurt)
Zuschauer:             21.000

Klaus Schlegel, Deutsches Sportecho, 30.10.1978