05. Spieltag 1978/79: BFC Dynamo - 1. FC Lok Leipzig 2:1

Eigendorf sorgte noch für die "weiße Weste"
In der Rolle des Tabellenführers muß sich der BFC stärker denn jemals zuvor damit abfinden, daß er von der Konkurrenz zum Kampf gestellt wird und in heimischer Umgebung kaum damit rechnen kann, auf Gegner mit offenem Visier zu treffen! Es bleibt seiner Klasse vorbehalten, sich an ihnen zu beweisen. Gegen die nach zahlreichen Niederlagen an gleicher Stelle in den Jahren zuvor diesmal zu aller Vorsicht gemahnten Messestädter gelang das nur mit gewissen Vorbehalten. Man muß den Berlinern allerdings dies in Rechnung stellen: 90 Minuten Daueroffensive, vier Tage zuvor gegen Belgrad in imponierendem Stil demonstriert, gehen auch an einer Spitzenmannschaft nicht spurlos vorbei.

Im strategischen Verhalten seiner spielbestimmenden Akteure blieb Dynamo diesmal unter den Erwartungen. Eigendorf, auch Terletzki, weil gegen Altmann in zu viele destruktive Duelle verwickelt, vermochten die fehlende klare Linie durch anerkennenswerte Lauffreude nicht zu kompensieren. Den Blick für die Situation, den überraschenden, deckungsöffnenden Paß, hätten gerade sie gegen den abwehrstarken Gast in besonderem Maße besitzen müssen, um sich den Erfolg nicht so schwer zu machen. Auf entscheidende Blößen im Abwehrgefüge des 1. FCL durfte der BFC, wie das Spiel bewies, kaum hoffen. Ausgenommen jene Schrecksekunde in der 82. Minute, die Hammer mit folgenschwerem Zögern gegen Netz heraufbeschwor.

"Ich rechnete mit Stötzners Zugreifen, anstatt den Ball resolut wegzuschlagen. Die Niederlage geht klar auf mein Konto." Leipzigs bis dahin zuverlässig operierender Libero durfte nicht darauf spekulieren, daß den quicklebendigen Netz gerade in diesem Moment das Gespür für torreife Situationen verlassen würde. Blitzschnelles Hineingrätschen in den Ball, der den sträflichst freistehenden Eigendorf erreicht, Siegestor und verständlicher Jubel waren das Werk weniger Sekunden. Lok mußte enttäuscht, ja fast entsetzt reagieren! “Dieser Fehler stellte die insgesamt gute Leistung, mit der sich Stötzner, Gröbner und Fritsche immer wieder um die Geschlossenheit der Abwehr bemühten, doch etwas auf den Kopf", urteilte Cheftrainer Horst Scherbaum.

Was er jedoch ebenso wie die 15.000 als grundlegende Schwäche des Leipziger Konzepts bemängeln mußte: In der konstruktiven, schnellen und auch weiträumigen Gestaltung des Spiels aus dem Mittelfeld heraus, im entschlossenen Nachrücken bis in den gegnerischen Strafraum hinein ist die Elf nach wie vor keinen wesentlichen Schritt weitergekommen. Andeutungsweise zeigte es nur der junge Liebers, der immer besser Tritt faßt. Überragende Fähigkeiten in dieser Hinsicht in den vielen erfreulich korrekten Zweikämpfen mit Gröbner bewies an diesem Tag überhaupt nur ein Aktiver auf dem Feld: Riediger! Lediglich Pfosten und Latte hinderten den vehement stürmenden Berliner, der im blitzschnellen Antritt seine Konkurrenten verblüffte, an weiteren Toren.

BFC Dynamo:
Rudwaleit: Trieloff; Brillat, A. Ullrich; Noack, Eigendorf , Lauck, Terletzki; Netz, Sträßer (67. Jüngling), Riediger
1. FC Lok Leipzig:
Stötzner; Hammer; Roth, Gröbner, Fritsche; Moldt, Liebers, Altmann (67. Eichhorn), Baum; Kinne (68. Löwe), Kühn

0:1 Liebers            (36.)
1:1 Riediger           (39.)
2:1 Eigendorf          (82.)

Schiedsrichter:        Streicher (Crimmitschau)
Zuschauer:             15.000

Dieter Buchspieß, Neue Fußballwoche, 16.09.1978