20. Spieltag 1976/77: BFC Dynamo - 1. FC Magdeburg 2:2

Viel Dramatik- wenig Klasse
An Spitzenspiele müssen gewisse, keineswegs übertriebene Ansprüche gestellt werden. Das Treffen zwischen dem Dritten und dem Vierten erfüllte sie lediglich in einer Hinsicht: In der außerordentlich dramatischen Zuspitzung nach dem Magdeburger 2:0, in der einsatzorientierten Abwehrschlacht der Männer um Zapf, in dem vom kämpferischen Aufbegehren diktierten Sturmlauf des BFC, der schließlich, nicht zuletzt dank Terletzkis raffiniert geschlagenen Eingaben, noch zum 2:2 führte. Nun ist die Spannung gleichwohl ein Element, das eine gute Partie enthalten sollte. Wird allerdings dieser Faktor zum gravierenden Charakteristikum einer Begegnung, bezieht sie ihre Wirkung allein daraus, gesellen sich dazu nicht spielerische Merkmale, fließt nicht alles harmonisch ineinander, so verschieben sich die Proportionen zu einseitig, um - was auch immer auf dem Spiele steht - von einem guten Treffen sprechen zu können.

"Das Ergebnis wird den Leistungen beider Seiten gerecht", urteilte dann auch DFV-Präsident Günter Schneider, "doch insgesamt wurden zu wenig spielerische Akzente gesetzt." Es begann ruhig, fast gemächlich. Sowohl der BFC als auch der 1. FCM waren ausschließlich auf Sicherheit bedacht. Von einer Bereitschaft zum Risiko keine Spur, kaum ein technisches Kabinettstückchen, eine überraschende Idee. Und dabei stand mit dem formverbesserten Hoffmann, der ein beherztes Solo überhastet abschloß (30.), mit dem einsatzfreudigen, aber kaum seinen Spielrhythmus findenden Riediger, mit dem phasenweise kämpfenden, doch zu inaktiven Streich (ein gefährlicher Kopfball - 20.) ein kompletter Auswahlsturm auf dem Rasen!

Schob man das zunächst auf die Phase des Abtastens, darauf, daß sich erst die Pärchen suchen mußten - Lauck-Sparwasser, Brillat-Streich, Noack-Hoffmann, Terletzki-Tyll, Wroblewski-Mewes, Kohde-Labes, Raugust-Riediger, Decker-Sträßer u. a. -, so pegelte sich diese Geruhsamkeit mehr und mehr ein, und Langeweile griff Platz. "Wir verschliefen die erste Halbzeit regelrecht", gestand Hans-Jürgen Riediger selbstkritisch ein. Immerhin, in dieser Zeit hatte der Magdeburger Zwei-Mann-Sturm - Sparwasser, Mewes und auch Seguin stießen mehrfach mit in Spitze - einige gute Szenen, während der BFC nur im Anschluß an Standardsituationen Torgefahr ausstrahlte. Aus dem Spiel heraus wirkte man nicht variabel genug, zumal Terletzki dank Tylls Initiative zunächst kaum konstruktiv in Erscheinung trat. Das jedoch änderte sich nach dem Magdeburger 2:0 schlagartig.

Ließ Tyll Ermüdungserscheinungen erkennen? Beschränkte sich der 1. FCM nur noch darauf, den klaren Vorsprung zu halten? Es wirkten zahlreiche Faktoren zusammen, besonders wohl die Tatsache, daß der BFC ohne letzten Mann spielte, alles nach vorn warf, Terletzki serienweise gefährliche Flanken schlug, ob mit dem rechten oder dem linken Fuß, so daß die Abwehr der Gäste diesem Sturm Tribut zollen mußte. Freilich half Ullrich bei Jünglings Schuß mit. "Keine Entschuldigung, es war ein Fehler", murmelte der junge FCM-Schlußmann, der von Zapf unmittelbar nach dem Ausgleich getröstet wurde, nach dem Spiel. Zuvor jedoch reagierte er einige Male hervorragend. "Es gelang uns gerade noch", meinte BFC-Trainer Martin Skaba, "aus dem Schlafwagen umzusteigen."

BFC Dynamo:
Creydt; P. Rohde; Noack, Brillat; Wroblewski, Lauck, Jüngling, Terletzki; Riediger, Labes (58. Netz), Sträßer
1. FC Magdeburg:
Ullrich; Zapf; Raugust, Kohde, Decker; Sparwasser, Seguin, Mewes, Tyll; Streich, Hoffmann

0:1 Seguin             (36.)
0:2 Sparwasser         (63.)
1:2 Brillat            (71.)
2:2 Jüngling           (81.)

Schiedsrichter:        Streicher (Crimmitschau)
Zuschauer:             24.000

Autor nicht bekannt, Neue Fußballwoche, 28.03.1977