14. Spieltag 1976/77: BFC Dynamo - 1. FC Union Berlin 0:1

Immer wieder Matthies
Eine der Weichen, die den Unionern beim 12. Berliner Derby den Weg zum fünften Erfolg öffnete (bei 5 Unentschieden und 2 Dynamo-Siegen), wurde bereits vier Tage zuvor, am Dienstag, gestellt. Hier nämlich nahmen die BFCer ihren Gegner beim Abschlußtest gegen Bytom genau unter die Lupe. Auch Bernd Brillat, der in der 73. Minute durch den Strafstoßpfiff von Prokop (Bohla hatte Labes gefoult) gemeinsam mit Torhüter Matthies zum Hauptakteur dieses spannungsgeladenen Fußballspektakels avancierte. "Als ich anlief, dachte ich daran, daß der Wolfgang gegen Bytom beim Strafstoß auf die linke Ecke spekuliert hatte und schoß deshalb in die andere. Aber wie er reagierte, das war phantastisch", gestand der Schütze, dem die Enttäuschung im Gesicht geschrieben stand.

"Ich wußte, daß Bernd mich beobachtet hatte und konzentrierte mich bewußt auf die rechte Ecke", strahlte dagegen der Union-Schlußmann, der nicht nur wegen dieser Tat zur entscheidenden Figur dieses Spieles wurde, "das bis zur letzten Sekunde von hohem Tempo, guten Aktionen, kämpferischer Hingabe und großer Dramatik gekennzeichnet war", wie der stellvertretende Generalsekretär des DFV, Konrad Dorner, bemerkte. An der fehlerfreien Leistung von Matthies richtete sich nämlich nicht nur die Union-Elf auf, an ihr scheiterte letzten Endes auch der BFC, der seiner Favoritenrolle offensichtlich nervlich nicht gewachsen war. Sicherlich ist diese Niederlage sehr bitter für die Dynamos, denn sie diktierten und kontrollierten zumeist recht eindeutig das Geschehen, verbuchten allein drei Lattenschüsse durch Lauck (2., 78.) und Brillat (31.).

Ihre eindrucksvollste Phase hatten sie in den ersten 20 Minuten. Hier stürmten sie temposcharf, geradlinig und kombinationssicher und erspielten sich klare Möglichkeiten. Die treibenden Kräfte waren der umsichtige Lauck, Peter Rohde, der überall auftauchte, und Noack, der Sigusch durch seinen Vorwärtsdrang ausschließlich in der eigenen Hälfte band. Aber zuerst schoß Brillat zu überhastet ab (11.), anstatt den völlig freistehenden Labes zu bedienen, dann holte Matthies mit einer tollen Robinsonade einen Gewaltschuß von Jonelat aus dem Angel (13.), Labes köpfte aus guter Position eine Noack-Eingabe über den Balken (15.), und schließlich holte Bohla mit einer akrobatischen Rettungstat einen Schuß von P. Rohde von der Linie (17.).

Aus diesen glücklich verlaufenen Aktionen und aus dem überraschenden Führungstor schöpften die Unioner enorme Kräfte und legten ungeahnte Reserven frei, während der BFC zwar unentwegt weiter stürmte, "keine Sekunde aufsteckte" (Harry Nippert), aber dabei immer überhasteter und nervöser zu Werke ging, immer ausrechenbarer wurde. Außerdem klebten Vogel und Möckel nun wie Kletten an Netz und Sträßer, Weber bestand gegen Labes, und Bohla war der Mann, der an allen Brennpunkten zur Stelle war. "Die Truppe verdiente sich die zwei Punkte durch ihren unbändigen Kampfgeist und durch Disziplin", freute sich Heinz Werner über diesen Sieg, der mit dem Platzverweis von Werder allerdings teuer bezahlt werden mußte. Bei ihm ahndete Prokop ein In-den-Mann-Hineingrätschen gegen Peter Rohde mit großer Strenge, die er später gegen Schwerdtner, der dem allein durchlaufenden Helbig vorsätzlich die Beine wegzog (81.), vermissen ließ.

BFC Dynamo:
Schwerdtner; Jonelat; Noack, Brillat, Wroblewski; Jüngling, Lauck, P. Rohde; Netz, Labes, Sträßer
1. FC Union Berlin:
Matthies; Bohla; Möckel, Weber, Vogel; R. Rohde, Werder (78. Platzverweis), Hendel (89. Papses); Heine, Paschek (76. Helbig), Sigusch

0:1 Werder           (21.)

Schiedsrichter:      Prokop (Erfurt)
Zuschauer:           28.000

Klaus Thiemann, Deutsches Sportecho, 19.02.1977