18. Spieltag 1971/72: FC Vorwärts Frankfurt (Oder) - BFC Dynamo 0:1

Dynamo verzichtete auf Schönheitspreis
Einen besseren "Sekundanten" als Otto Fräßdorf, unseren 33fachen Nationalspieler, konnte ich mir auf der Tribüne des Frankfurter "Stadions der Freundschaft" schwerlich wünschen. Das einstige hauptstädtische Derby vieler Oberliga-Serien, in den Kommentierungen von "Otto, Otto" wird es lebendig. "Beide Mannschaften sorgen vor der prächtigen Kulisse für einen offensiven, stimmungsvollen Auftakt. Hohes Tempo, spielerische Ausgeglichenheit, doch wenig Chancen und Schüsse", lautet sein Urteil über die erste Viertelstunde. Bis zur 30. Minute ändert sich dann die Szenerie. "Nöldner, Pfefferkorn und Gosch werden immer aktiver, so daß Lihsa und Carow höllisch aufpassen müssen. Aber wir zögern zu lange mit entschlossenen Hinterhaltschüssen, übertreiben auch die individuellen Aktionen", gibt Otto zu bedenken. Die letzte Viertelstunde vor dem Wechsel sieht den BFC mit ruhigen Passagen, während Vorwärts den aufwendigen, aber effektlosen Querpaß vor der Abwehr der Berliner übertreibt.

"Keine Bindung, zu zerfahren, so ist die clevere Deckung des BFC nicht auszuspielen. Und außerdem: drei Schüsse von Nöldner, Pfefferkorn und Gosch sind wirklich zu wenig. Auch Dynamo bleibt seinen Konterstil noch schuldig". analysiert Fräßdorf in Kennermanier. Als Pfefferkorn und Zierau gleich nach Wiederbeginn eine Großchance auslassen, antworteten die Gäste sofort mit Gegenstößen über den für Becker ins Spiel gekommenen P. Rohde und Schütze (54.). "Hervorstechendstes Merkmal ist nach wie vor das unwahrscheinlich hohe Tempo. Die Abwehrreihen dominieren, so daß schon ein Fehler die Begegnung entscheiden kann", prophezeit Otto gelassen. Vorwärts verstärkt den Druck, übersieht jedoch die Gefahr nachlässiger Deckungsarbeit.

Und da ist es auch schon geschehen. "Johannsens Flachschuß aus einem Konterangriff wurde durch die risikoreiche Offensivkonzeption begünstigt." Risiko! Wer erinnert sich da nicht an die risikovolle, gekonnte Spielweise des ehemaligen Vorwärts-Verteidigers. In dem Maße, wie der BFC seinen Rhythmus findet, P. Rohde die Bewegungsfreiheit von Nöldner einengt, Netz immer "giftiger" in die Lücken stößt (in der 86. Min. trifft er die Unterkante der Latte!), schwindet die Initiative der Armee-Elf. "Daß Dynamo auch diesmal, im neunten Spiel hintereinander ungeschlagen blieb, verwundert bei der Deckungstreue der Mannschaft nicht. Zielstrebigkeit, wuchtige Vorstöße, geistige Frische vermißte ich dagegen bei uns", lautet Fräßdorfs Fazit. "Toi, toi, toi für den BFC gegen Atvidaberg", ruft er mir beim Abgang noch nach. Der Satz sei nicht vergessen!

Zum Schiedsrichterkollektiv: Di Carlo verdiente sich Lob und Anerkennung für eine tadelsfreie. aufmerksame Spielleitung. Auch Fritz Köpcke, der kritische Vorsitzende der Schiedsrichterkommission des DFV der DDR, ließ es an einem Glückwunsch nicht fehlen.


FC Vorwärts Frankfurt (Oder):
Hofmann; Strübing; Withulz, Dobermann, Andreßen; Körner, Nöldner, Segger; Pfefferkorn, Gosch, Zierau (57. Wruck)
BFC Dynamo:
Lihsa; Carow; Stumpf, Trümpler, Hübner; Schütze, Becker (46. P. Rohde), Terletzki; Johannsen, Netz, Schulenberg

0:1 Johannsen          (74.)

Schiedsrichter:        Di Carlo (Burgstädt)
Zuschauer:             9.000


Günter Simon, Neue Fußballwoche, 07.03.1972