06. Spieltag 1971/72: BFC Dynamo - HFC Chemie 1:1

Das Übel begann im Mittelfeld
Die Heimbilanz des BFC Dynamo bleibt bescheiden: In vier Spielen nur 4:4 Punkte. Vom Schwung der Europacupspiele war bei den Berlinern lange Zeit wenig zu spüren. Lediglich in der Endphase gab es ein kämpferisches Aufbegehren. Spielerisch war allerdings kaum eine Steigerung zu erkennen. Das Übel begann in den Berliner Reihen im Mittelfeld. Bei Terletzki, P. Rohde und über weite Strecken auch bei Becker herrschte "Schmalhans Küchenmeister". Ihre Vorlagen auf die Angriffsspitzen "verhungerten" unterwegs, erwiesen sich oftmals als Fehlpässe. Unerklärlich diese Nervosität, diese mangelnde Konzentration in völlig problemlosen Situationen, da doch der BFC (in der gleichen Besetzung) in Cardiff und Antwerpen ganz andere Belastungsproben in ausgezeichneter Haltung überstanden hat.

Stumpf, der am vergangenen Donnerstag seinen 30. Geburtstag feierte, Lihsa und später Netz setzten die Maßstäbe - zu wenige Glanzlichter, um auch die dunklen Stellen im Mannschaftsgefüge zu erhellen. Vor gut zwei Jahren, am 13. September 1969, verlor Dynamo sensationell glatt mit 1:4 im Sportforum gegen den HFC. Halles Flügelflitzer Langer trug damals mit einer großen Leistung und zwei Toren zum überraschenden Ergebnis wesentlich bei. Diesmal war er durch Stumpf praktisch zur Wirkungslosigkeit verurteilt. Er mußte glauben, das Fußballspielen verlernt zu haben. Womit wir bei den Gästen wären. Die Saalestädter warteten in den ersten 20 Minuten mit einer ansprechenden Partie auf (Cheftrainer Walter Schmidt: "Das waren konstruktive Spielzüge, nur versandeten diese Aktionen dann doch mehr und mehr!"), überstanden den Schlußspurt des Widersachers recht geschickt, nicht zuletzt dank der cleveren Organisation des Abwehrstrategen Bransch und schlugen sogar noch zweimal aus der Konterstellung so gefährlich zu, daß dem BFC das 1:2 drohte.

Was dazwischen lag, entsprach aber ebenfalls nicht den Erwartungen. "Zu viel Spiel in die Sackgasse", wie es ein Betrachter ironisch formulierte. Neben Bransch rackerte besonders Meinert unermüdlich, um die Fäden wieder zu knüpfen. Vergeblich, er fand bei seinen Mitspielern keine Gegenliebe mehr. Die größten Schrecksekunden hatte der HFC noch einmal eine Viertelstunde vor dem Abpfiff zu überwinden, als Johannsen in bester Position einen Kopfball verzog, nachdem Dynamo vor der Pause bei einem Pfostenschuß Schützes (29.) schon den Torruf auf den Lippen hatte.

Zum Schiedsrichterkollektiv: Zülow und seine Assistenten waren ihren Aufgaben jederzeit gewachsen. Allerdings machten ihnen die Aktiven mit einer erfreulich betont fairen Einstellung die Leitung des Treffens nicht allzu schwer. Ein Händedruck zur rechten Zeit, wie es verschiedentlich geschah, entgiftet eben auch ein aus der Zuschauersicht härter scheinendes Foul.


BFC Dynamo:
Lihsa; Carow; Stumpf, Trümpler, Hall; Terletzki (59. Netz), P. Rohde, Becker; Johannsen, Schütze, Labes
HFC Chemie:
Brade; Bransch; Kersten, Riedl, Klemm; Meinert, Wawrzyniak, Schmidt; Nowotny, Boelssen, Langer

0:1 Klemm              (58.)
1:1 Netz               (66.)

Schiedsrichter:        Zülow (Rostock)
Zuschauer:             4.000


Hans Günter Burghause, Neue Fußballwoche, 02.11.1971