04. Spieltag 1971/72: SG Dynamo Dresden - BFC Dynamo 2:2

Keiner steckte einen Pflock zurück
Wer diese hochdramatischen, hektischen, nervenstrapazierenden neunzig Minuten zweier verbissen fightender Kontrahenten unter den gleißenden Flutlichtbündeln des Dresdener Dynamo-Stadions miterlebte, wird sie noch lange in der Erinnerung behalten! Selten sah ich in der höchsten Spielklasse eine derart leidenschaftliche Demonstration klassischen Kampffußballs mit allen positiven und negativen Attributen. In Dresden wurde selbst das verbissene Ringen im letzten Pokalfinale zwischen beiden Mannschaften noch weit in den Schatten gestellt. Die erste Überraschung präsentierte der Meister. Nicht nur, daß Sammer, Ganzera und Wätzlich wegen Verletzungen fehlten, auch Kreische (Verletzung? Formschwäche?) nahm auf der Tribüne Platz. während Richter zunächst die Auswechselbank drücken durfte.

Diese Nervenanspannung unterminierte der BFC vollends, als vor allem dem großartig disponierten Schütze in der Dirigenten- und Stoßstürmerrolle (!) eine sensationelle 2:0-Führung für die Berliner zu verdanken war. Dresden wußte, was die Glocke geschlagen hatte! Mit der Tempoerhöhung wuchs die Angriffswucht, der die Gäste ebensolchen Abwehrelan entgegensetzten. Hier war niemand gewillt, Boden preiszugeben, einen Zweikampf zu verlieren, eine Chance auszulassen, sich selbst oder den Widerpart zu schonen. Ein Kulminationspunkt (strafstoßreife Szenen, Foulspiel ohne Nachsicht, Verwarnungen u. a. m.) reihte sich an den anderen. Hochachtung vor den Berlinern, die ihre Chance erkannten und um sie stritten. Respekt vor dem Titelverteidiger, der am Rande der ersten Heimniederlage vehement auf begehrte und noch die hochverdiente Punkteteilung erzwang.

Zum Schiedsrichterkollektiv: Männig urteilte in jeder Beziehung nach bestem Gewissen. Nicht die Kulisse "erschreit" den Strafstoß, die gültige Beurteilung der Situation obliegt allein dem Unparteiischen. Zweimal (als Geyer und Riedel stürzten) stand er genau daneben. Dresdens Kopfballtreffer vor der Pause erkannte er ab (etwas zu spät), als Di Carlo den hereingezogenen Ball in der Luft im Aus sah. Ein Dutzendvorgang, so bedeutungsvoll er auch war. Viel besser wäre es allerdings, wenn Spieler und Zuschauer über die Summe an peinlichen Unarten ernsthaft nachdenken würden, um Ursache und Wirkung nicht zu verwechseln.


SG Dynamo Dresden:
Kallenbach; Dörner; Haustein, Kern, Geyer; Häfner, Hemp (59. Heidler), Ziegler; Riedel, Rau (66. Richter), Sachse
BFC Dynamo:
Lihsa; Brillat; Stumpf, Rohde, Hall, Filohn (46. Hübner); Terletzki, Becker; Johannsen, Schütze, Labes (74. Netz)

0:1 Schütze            ( 3.)
0:2 Terletzki          ( 7.)
1:2 Heidler            (60.)
2:2 Dörner             (72., Foulstrafstoß)

Schiedsrichter:        Männig
Zuschauer:             32.000


Günter Simon, Neue Fußballwoche, 14.09.1971