05. Spieltag 1970/71: BFC Dynamo - SG Dynamo Dresden 0:1

Nach exakt 70 Minuten setzte Gert Heidler zu einem Dribbling an, das die Entscheidung bringen sollte. So schilderte der Dresdener diese Szene: "Als ich merkte, wieviel Raum ich hatte, umlief ich einen Gegenspieler, täuschte einen Schuß an, kam am zweiten vorbei und traf den Ball voll. Ich glaube nicht, daß Werner Lihsa da eine Chance hatte." Der BFC-Torsteher meinte: "Mit den Fingerspitzen berührte ich die Kugel zwar noch. Doch sie war so scharf geschlagen, daß diese Berührung die Richtung des Balles nicht mehr verändern konnte." Und sein Kollege Bräunlich assistierte ihm: "Da war nichts zu machen. Der Werner reagierte noch mehrfach in großer Manier, verhinderte so weitere Gegentreffer." Tatsächlich war Dynamo Dresden die in der zweiten Halbzeit klar dominierende Mannschaft.

"An sich eine Überraschung", wunderte sich BFC-Mannschaftsleiter Dorner, "daß die Gäste nach ihrem schweren Mittwochspiel über die bessere Kondition verfügten." Uwe Ziegler erklärte das so: "Solche Erlebnisse wie Belgrad schweißen eine Truppe noch fester zusammen, lassen sie auch zu ihrem Spiel finden, wenn es zunächst nicht nach Wunsch läuft." Dieser Feststellung muß sich eine weitere anschließen: Der neue Tabellenführer spielte weit rationeller, teilte seine Kräfte klüger ein. Darin lag der entscheidende Vorteil, der seine Ursache in der ausgeglicheneren Besetzung aller Positionen hat. Während Schulenbergs und Beckers Ausfall beim BFC trotz anfänglicher Überlegenheit nie zu überspielen war, hinterließ der von Wätzlich (wurde am Blinddarm operiert, und auch Ersatztorwart Urbanek mußte am Sonnabend mit Blinddarmreizung ins Krankenhaus gebracht werden, so daß Dörner seine Rolle übernahm) bei den Dresdenern keine nachteilige Wirkung.

Haustein schloß diese Lücke voll und ganz. Was für die "Ersatzspieler" zutraf, das hatte auch für die "erste" Garnitur Gültigkeit. Während beim BFC die Last des Mittelfeldspiels allein auf Rohde lag, verteilte sich das bei den Dresdenern. Setzte sich Kreische zunächst nicht ganz wie gewohnt in Szene, so übernahmen in harmonischer Abstimmung Sammer, Ganzera, Ziegler, Hemp oder Heidler seine Funktion, ohne jedoch Deckungslücken zu hinterlassen. Walter Fritzsch freute sich: "Mit zunehmender Belastung reift unsere Mannschaft. An Kallenbachs Leistung richteten sich alle auf. Wir hatten keinen Ausfall. Die ansteigende Tendenz auszubauen, darauf kommt es jetzt an."

Zum Schiedsrichterkollektiv: Ein schwer zu leitendes Spiel, das zunächst von beiden Seiten recht hektisch geführt wurde. Über kleinliches Ballwegschlagen und vorsätzliche Fouls sollten die Aktiven doch erhaben sein. Anerkennung .gebührt dem FC Vorwärts Berlin für das zum Europa-Pokaltreffen gegen den FC Bologna herausgegebene Programm, das in Wort und Bild viele wissenswerte Einzelheiten über beide Mannschaften enthielt.

So sahen beide Kapitäne das Spiel:
Achim Hall:
"Ein verdienter Sieg der Dresdener. Uns mangelte es an der richtigen Harmonie, daran, daß aus dem Mittelfeld keine Unterstützung kam. Unsere Verkrampfung hatte auch psychologische Ursachen. Die Gäste wirkten einfach frischer."

Hans-Jürgen Kreische:
"Nach anfänglicher Nervosität fingen wir uns später. Wir hatten die bessere Moral, die stärkere Kondition. Rohde war ein" guter und fairer Gegenspieler. Bei größerer übersieht hätte unser Sieg noch klarer ausfallen können."


BFC Dynamo:
Lihsa; Hall, Trümpler, Carow, Schütze; Stumpf, Schwierske (55. Terletzki), Rohde; Fleischer, Aedtner (66. Labes), Lyszczan
SG Dynamo Dresden:
Kallenbach; Kern; Ganzera, Sammer, Haustein; Ziegler, Hemp, Kreische; Heidler, Richter (78. Geyer), Sachse

0:1 Heidler (70.).

Schiedsrichter:        Bader (Bremen/Rhön)
Zuschauer:             11.000


Klaus Schlegel, Neue Fußballwoche, 22.09.1970