01. Spieltag 1970/71: BFC Dynamo - HFC Chemie 1:0

18:1 Ecken - nur ein Tor
In Bernd Bransch verfügte unser Fußball über einen linken Verteidiger, den man auf dieser Position als die personifizierte Zuverlässigkeit bezeichnete, der mit Fug und Recht zum Fußballer des Jahres, gewählt wurde. Seit geraumer Zeit wirkt Bransch beim HFC im Mittelfeld, und die neue Saison begann, wie die alte endete: Bransch wurde als "vorgeschobener" Mittelfeldspieler aufgeboten. Er füllte diese Rolle in Berlin mehr schlecht als recht aus, spulte sein Pensum herunter, ohne Wirkung zu hinterlassen. Auswahltrainer Buschner wunderte sich: "Ich verstehe diese Rolle Branschs nicht. Für mich kommt er nur als linker Verteidiger in Frage." Und Bransch selbst, der übrigens am Donnerstag einen Autounfall hatte, urteilte so: "Die Aufstellung ist Sache des Trainers. Ich habe schon besser im Mittelfeld gespielt, glaube jedoch, daß das nicht die Position ist, in der ich meine beste Leistung bringen kann."

Nun ist es natürlich vor allem die Angelegenheit des HFC, wer auf welcher Position spielt. Doch immerhin haben die Clubs eine gewisse Verpflichtung, die über Nationalspieler verfügen, und vielleicht sollte der DFV der DDR ab und zu an eben diese Verpflichtungen erinnern. Weil genau das nicht einmalig ist und auch andere betrifft, gingen wir am Beispiel Branschs so ausführlich auf dieses Thema ein. Wenn es beim HFC nicht nach Wunsch lief - Trainer Schmidt: "Die Vorbereitungsspiele waren weit besser!" -, so lag das nicht allein an Bransch. Mosert (er vergab die beste HFC-Chance in der 32. Minute) war weit von seiner Bestform entfernt, ihm schien jede Bewegung zu viel, und da Fußball ja nun einmal kein Standspiel ist, gingen vom Mittelfeld keinerlei Impulse aus.

Ein Spötter auf der Tribüne wetzte seine Zunge: "Der einzige Farbtupfer im Hallenser Spiel war die gelbe Karte, die Bader Langer präsentierte!" Doch auch der BFC riß keineswegs. Bäume aus. Er erschöpfte sich lange Zeit in unproduktivem Querspiel, und erst als Hall und Schütze nach dem Wechsel die Initiative ergriffen, kamen Schulenberg und Lyszczan etwas besser zum Zuge. Unverständlich, daß keine der 18 Ecken eine torgefährliche Situation einbrachte, daß einige sogar im Aus landeten. Vielleicht wurde Schwierske dabei überfordert.

Zum Schiedsrichterkollektiv: Eine nicht in allen Belangen überzeugende Leistung. Energischeres Eingreifen wäre ab und an mal am Platze gewesen. Als ein Hallenser (war es Klemm?) Schulenberg unkorrekt vom Ball trennte (81.), hätte ein Strafstoß gegeben werden müssen. Doch Bader sah es anders.


BFC Dynamo:
Lihsa; Carow; Hall, Trümpler, Rohde; Schwierske, Schütze, Becker; Lyszczan, Johannsen (58. Weber), Schulenberg
HFC Chemie:
Brade; Urbanczyk; Kersten, Rothe, Klemm, Riedl; Mosert, Segger, Bransch; Nowotny, Langer (68. Bayer)

1:0 Schulenberg        (57.)

Schiedsrichter:        Bader (Bremen/Rhön)
Zuschauer:             4.000


Klaus Schlegel, Neue Fußballwoche, 25.08.1970