12. Spieltag 1969/70: BSG Chemie Leipzig - BFC Dynamo 1:0

Größere Angriffswucht
Es war ganz gewiß nicht Chemies stärkstes Heimspiel in dieser Saison, und es knüpfte der BFC nicht an seine in den vergangenen Wochen sicheren, klugen Kombinationen an. Beide können mit Berechtigung den starken Wind, der erst den BFC begünstigte, nach dem Wechsel dann Chemie, als Erklärung anführen, ob das aber eine umfassende ist, bleibt dahingestellt. Chemie-Cheftrainer Otto Tschirner kommentierte dann auch kritisch: "Dem BFC ging es nach einer erfolgreichen Serie von vier Partien ohne Niederlage um eine günstige Position, bei uns um einen Platz in der Spitzengruppe. Dadurch verkrampften die Aktionen. Zudem litt die Partie sehr unter den Windverhältnissen. Wir operierten aber mit dem Wind nicht flach und nur ungenügend über die Flügel."

Und BFC-Cheftrainer Hans Geitel bemerkte: "Unsere Spieler ließen sich durch das Fluidum wohl etwas beeinflußen, die Sicherheit in den Aktionen war nicht wie gewohnt. In unserer druckvollen ersten Halbzeit wurde aus der Deckung nicht schnell, forsch genug gespielt. Ohne den Sieg Chemies schmälern zu wollen, wir sahen gegen den Wind spielerisch besser aus!" Dem darf man zustimmen. Der schußfreudige Becker war ein mindestens so wirkungsvoller Mann der zweiten Reihe wie Trojan bei Chemie, nur nicht so erfolgreich, so glücklich bei zwei Freistößen und einem Hinterhaltsschuß (11., 22., 50.), und es wußte obendrein mit Schütze und dem geschickt sich einfügenden Rohde zwei um den Angriff bemühte Akteure neben sich. "Die Berliner hielten in der ersten Halbzeit klug den Ball in ihren Reihen", anerkannte Dieter Scherbarth.

Und Trainer Otto Tschirner lobte: "Der BFC hat an Stabilität und spielerischem Vermögen gewonnen." Doch so oft Dynamos mannen schossen, solche zwingenden Torchancen, wie sie Lisiewicz, Trojan und Scherbarth zwischen der 53. und 70. Minute hatten, erreichten sie nicht. Wenn auch für Lisiewicz, Dobermann nicht viel Raum und Möglichkeiten gegeben waren, im Mittelfeld überlegte Angriffszüge aufzuziehen, der schon berühmt gewordene Chemie-Geist versetzte wieder einmal Berge. Und dem Druck, der Wucht der Grün-Weißen mußte sich der BFC in einem Moment beugen, als sich sein Schlußmann verletzt hatte und beim Kopfball Trojans im Anschluß an eine Flanke Scherbarths nicht mehr rechtzeitig reagieren konnte. Das war ein wenig Pech, doch die größere Torgefährlichkeit und die größere Zahl klarer Chancen spricht für den Gastgeber, auch wenn BFC-Cheftrainer Geitel nach den spielerischen Anteilen zumindest ein Remis "erpunktet" hatte.

BSG Chemie Leipzig:
Jany; Dobermann; Krauß, Walter, Herrmann; Andreßen, Lisiewicz, Trojan; Schmidt, Scherbarth, Skrowny
BFC Dynamo:
Lihsa (69. Bräunlich); Stumpf; Trümpler, Carow, Hall; Becker, Rohde, Schütze; Lyszczan, Aedtner, Prescher

1:0 Trojan             (67.)

Schiedsrichter:        Kunze (Karl-Marx-Stadt)
Zuschauer:             15.000


Wolfgang Hempel, Neue Fußballwoche, 04.11.1969