06. Spieltag 1969/70: BFC Dynamo - HFC Chemie 1:4

1:0-Führung und dennoch Debakel
Der BFC wurde nach einer guten Halbzeit im Mittwochspiel beim FCV total entnervt. Wie hat er die fünf Tore verdaut? Diese Frage bewegten Anhang wie Trainer gleichermaßen. Und sie atmeten auf, als gegen den 14., den HFC, ein Blitzstart gelang, der - ohne daß ein HFC-Spieler das Leder ernsthaft berühren konnte -, nach Aedtners Flanke das 1:0 durch einen Kopfball Fleischers brachte. Die Voraussetzung für ein besonnenes, von Hektik befreites Spiel war gegeben. Nur zu leicht begreiflich, daß die ohnehin nervösen Gäste nach diesem erneuten Rückschlag förmlich zu "flattern" begannen. Urbanczyk und Bransch machten machten da keine Ausnahme. Der BFC stürmte auch, von Fleischer und Schütze angekurbelt. Aedtner schlug Kersten manches Schnippchen. Urbanczyk zeigte sich nicht sehr stellungssicher und wenig beweglich, selbst Bransch lief wiederholt ins Leere.

Nur gut, daß in dieser Phase der Verwirrung Heine kaltblütig blieb. Er vereitelte mehrfach ein 0:2, wobei es ihm die BFC-Stürmer allerdings trotz zwingender Möglichkeiten leicht machten. Sie nutzten ihre günstige Zeit nicht und wurden dafür später nahezu ebenso bitter bestraft wie vier Tage zuvor gegen den FCV. Ja, neun Gegentore in zwei Spielen, das ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Gewiß, auch die junge Angriffsreihe versagte. Doch wird man "mildernde Umstände" finden. Schwer zu begreifen allerdings ist die jegliche Dynamik, jeglichen Biß vermissen lassende Deckung. Hier müssen Becker (sehr zurückhaltend), Schütze (kein Tempowechsel, wenig Entschlossenheit) mit einbezogen werden. Besonders augenfällig aber war das bei Stumpf (ließ Langer beliebigen Spielraum) und Carow (unkonzentriert). Der HFC spürte selbst in den anfänglichen überhasteten, daher erfolglosen Aktionen, daß hier seine Chancen lagen.

Und er nutzte dies mit weiten, steilen Pässen (Segger, Mosert, später Bransch) in die Lücken der ungestaffelten, taktisch unbeholfenen Abwehr. Ein Paß, und oft war die gesamte BFC-Abwehr ausmanövriert! Langer, nicht selten die einzige Angriffsspitze des HFC, brauchte nur seinen erstaunlichen Antritt zu nutzen, um Gefahr am laufenden Band heraufzubeschwören. Doch er brachte mehr mit, vor allem Mut zu scharfen, beherzten Schüssen. War er am Ball, roch es nach Toren. Seinem herrlichen Fernschuß zum 1:1 (Bräunlich rührte keinen Finger) ließ er nach dem Wechsel weitere Kostproben (Tor Nr. 2, das 3. bereitete er vor, dazu ein Lattenschuß) folgen. Keine Frage, dieser überraschende Auswärtssieg dürfte dem HFC Auftrieb geben. Zum Schiedsrichterkollektiv: Die anfängliche Unruhe innerhalb des HFC führte zu mancher Unbeherrschtheit (Topf, Langer), die Prokop nicht energisch genug zu zügeln suchte.

BFC Dynamo:
Bräunlich; Stumpf; Trümpler, Carow, Hall; Becker, Schütze (73. Schneider); Fleischer, Weber, Aedtner, Prescher (55. Großmann)
HFC Chemie:
Heine; Riedl; Urbanczyk, Kersten, Bransch; Mosert, Segger, Rothe (50. Stricksner); Nowotny, Topf, Langer

1:0 Fleischer          ( 1.)
1:1 Langer             (32.)
1:2 Langer             (63.)
1:3 Topf               (73.)
1:4 Nowotny            (76.)

Schiedsrichter:        Prokop (Mühlhausen)
Zuschauer:             6.000


Horst Friedemann, Neue Fußballwoche, 16.09.1970