19. Spieltag 1965/66: 1. FC Lok Leipzig - BFC Dynamo 4:0

In einen tollen Spielrausch gesteigert / Gegen die entfesselt auftrumpfenden Leipziger Angriffsspitzen Löwe, Frenzel und Engelhardt zeigte die Berliner Abwehr deutlich Wirkung / 1. FC Lok und BFC Dynamo boten sehenswerten Fußball mit einer Fülle klassereiner Szenen
Das Resultat mag noch so eindeutig sein, die klare Tordifferenz von oberflächlichen Betrachtern als Ausdruck offenkundigen Leistungsunterschiedes angesehen werden - wir bleiben dabei: Dieses 4:0 war eine ausgesprochene Sensation beim Aufeinandertreffen zweier spielerisch wie kämpferisch großartig präparierter Mannschaften, die jenen erstrebenswerten Fußball boten, der Spitzenmannschaften zu eigen sein muß, der zu begeistern versteht, voller Ideenreichtum, Rasanz, spielkultureller Güte und technisch-taktischem Variationsreichtum war.

Eine Sensation deshalb, weil die Qualitäten der sich im 4-2-4 bisher stets wirkungsvoll ergänzenden Dynamo-Deckung hinlänglich bekannt waren, und weil der in der Abwehr vorteilhaft begonnene Stabilisierungsprozeß von Trainer Karl Schäffner auch seine folgerichtigen Auswirkungen auf das Angriffsspiel hatte. 35 Tore des BFC Dynamo vor diesem Treffen sagten genug! Der 1. FC Lok wußte darum, und er fügte seiner selten erlebten konsequenten Einstellung, den Titelkampf selbst noch entscheidend mitbeeinflussen zu wollen, die Absicht hinzu, die 3:5-Niederlage aus der 1. Halbserie mit einer eindrucksvollen Partie zu revidieren. Es gelang vollauf, in einer Weise praktiziert, die die Berliner Abwehr ganz einfach aus der Bahn warf. "Wir wollten einen Sieg, entsprechend offensiv war unsere Einstellung", erklärte uns BFC-Trainer Schäffner. Scheiterten die Berliner daran, an einer verfehlten Taktik? Supertaktiker, Defensivexperten, die dem Spiel seine Schönheit nehmen und (bei uns) auch mit massierten Deckungsformationen auswärts ganz selten zu Punkten kommen (ein Glück, das dem so ist), werden das natürlich bejahen. Wie falsch!

Gewiß war Schwäche mit im Spiel, aber spielentscheidend war die Stärke, die der Leipziger Sturmspitzen Löwe, Frenzel und Engelhardt. Carow (zu selbstsicher sein Beginn, dann nicht mehr seinen Rhythmus findend!) sah sich von Löwes raketengleichem Antritt immer wieder distanziert. Er sowie Frenzel und Engelhardt (fleißig, laufwillig, fintenreich) beherrschten die Kunst des individuellen Durchbruchs mit dem sicheren Freispielen des kaltblütig verwandelnden Nebenmannes. So sehr auch der unerbittliche Skaba und Mühlbächer die Niederlage abzuwenden suchten, hart dazwischen gingen (doch keineswegs strafstoßreif!), die größte Unterlassungssünde, die Messestädter ihren konstruktiven Spielrhythmus finden zu lassen, war nach 39 Minuten Spielzeit nicht mehr wettzumachen. Nicht einmal, ein Dutzendmal durchbrachen Löwe (hervorragend disponiert!) und Frenzel (sein Vorsprung in der Torschützenliste wird immer souveräner) die Berliner Deckung, stifteten sie helle Aufregung.

Sie setzten fort, wofür V. Franke und Naumann im Mittelfeld den Grundstein legten. So lobenswert auch das nie erlahmende Bemühen von Unglaube und Wolff war, durch unablässiges Vorwärtsdrängen dem eigenen Angriff größere Torgefährlichkeit zu verleihen, V. Franke und Naumann als die mit enormer Übersicht ausgestatteten Leipziger Aufbauspieler durften sie so leichtfertig nicht aus den Augen verlieren. Hier, am Ausgangspunkt des verwirrenden elastischen Sturmspiels der Messestädter, wo die Inspirationen in Handlungen voller Torgefährlichkeit umgesetzt wurden, mußte ein energisches Halt gesetzt werden. Ein zweites, schwerwiegendes Versäumnis! Weit cleverer operierte dagegen die Leipziger Abwehr. Der enttäuschende Jakob bekam ebenso wenig einen Stich wie Bley; Hall und Kochale scheiterten mit ihren Schüssen und Kopfbällen an Weigang, dem kein Fehler unterlief.

1. FC Lok Leipzig:
Weigang; Faber, Gießner, Geisler, Drößler; Naumann, Engelhardt; Franke, Frenzel, Löwe, Zerbe
BFC Dynamo:
Bräunlich; Trümpler, Mühlbächer, Carow, Skaba; Wolff, Unglaube; Bley, Hall, Kochale, Jakob

1:0 Engelhardt         ( 2.)
2:0 Frenzel            (26.)
3:0 Geisler            (29.)
4:0 Frenzel            (7l.)

Schiedsrichter:        Köpcke (Wusterhausen)
Zuschauer:             10.000

 
Günter Simon, Neue Fußballwoche, 22.03.1966