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In souveräner Haltung / Nur als die Berliner nach der Pause die Zügel lockerten, fand Zwickau fast noch Anschluß Dieter Zülow, der junge Rostocker Schiedsrichter, hatte am 12. Dezember des vergangenen Jahres die erste
Serie in Berlin mit dem Schlußpfiff beim 3:0-Spiel Dynamos gegen Erfurt beendet. Der Zufall der Ansetzungen wollte es, daß er nun im Sportforum die Rückrunde eröffnete, in die der Berliner Vertreter erstmals seit Jahren nicht
mit Abstiegssorgen, sondern (insgeheim) mit Titelambitionen geht. Warum auch nicht? Eine Halbzeit lang bewiesen die Berliner ihr Leistungsvermögen, ihre gewachsene Spielstärke.
Mit der Rückkehr des verletzt gewesenen
Unglaube - er fehlte im ersten Durchgang in sieben Begegnungen - haben die Aktionen Dynamos noch an Wirkung gewonnen. Im Verein mit Mühlbächer und Wolff beherrschte er das Mittelfeld. In dieser Vorpausenzeit wurde deutlich, daß
das 4-2-4-System sich auch als Bumerang erweisen kann. Die "Motor-Achse" Irmscher-Jura kam überhaupt nicht zum Tragen. Mattern, Rentzsch, Henschel und Hoffmann hingen im Sturm förmlich in der Luft, erhielten kaum eine
brauchbare Vorlage. Zwickaus Spiel war in diesem Abschnitt zur Schablone erstarrt, der Gast hatte das Gesetz des Handelns völlig dem Widersacher überlassen. Die offensichtlich angeschlagene Deckung durfte sich beim jungen
Torhüter Croy bedanken, der mit mehreren gedankenschnellen Paraden Schlimmeres verhütete.
Bei einem Pfostenschuß Wolffs nach vorangegangener blendender Kombination Dynamos aus der eigenen Hälfte über die Stationen
Jakob, Unglaube, Jakob und Kochale hatte er das Glück des Tüchtigen auf seiner Seite. Als sich dann Beier nach einem Abschlag Bräunlichs beim Distanzieren des Balles verrechnete, war er gegen Kochale aber doch machtlos, zumal
der Berliner Halblinke äußerst kaltblütig handelte und seinen Widersacher erst "aussteigen" ließ, ehe er sicher verwandelte. Die souveräne Haltung vor dem Wechsel verleitete den BFC Dynamo offenbar in den zweiten 45
Minuten dazu, Zwickau auf die leichte Schulter zu nehmen. Leichtfertigkeiten in der Deckung, "Abschalten" der Regisseure im Mittelfeld und dadurch bedingt sichtbares Nachlassen im Angriff kennzeichneten plötzlich das
Dynamo-Spiel. Im gleichen Maße wie die Berliner die Zügel lockerten, setzten sich die Gäste besser in Szene.
Nun faßten Irmscher (er feierte am Sonnabend seinen 20. Geburtstag) und Jura Tritt und der Anschlußtreffer lag
mehrmals in der Luft. Hoffmann und Henschel konnten jedoch gute Chancen nicht nutzen. In dieser besten Zeit der Zwickauer war es ein großer Nachteil, daß sich Mattern und Hoffmann im Gegensatz zu ihren Mitspielern nicht zu
steigern vermochten. Der BFC Dynamo erkannte endlich die Gefahr, die er mit seiner mangelnden Konzentration selbst heraufbeschworen hatte, und fand noch einmal zu seiner alten Linie zurück. Gegen diesen Spielrhythmus moderner
Prägung geriet die Motor-Elf wieder in die Defensive. Erneut stand Croy im Brennpunkt des Geschehens, wobei vor allem seine Fangsicherheit imponierte. Eine ausgezeichnete Möglichkeit zum 3:0 konnte Kochale nicht verwerten, aber
das fiel schon nicht mehr ins Gewicht, weil Dynamo in der Schlußphase unangefochten blieb. Die Heimbilanz ist damit nach wie vor ohne Fehl und Tadel. 14:0 Punkte.
BFC Dynamo: Bräunlich; Stumpf, Carow, Skaba; Mühlbächer, Unglaube; Bley, Wolff, Hall, Kochale, Jakob BSG Motor Zwickau: Croy; Glaubitz, Beier, Resch; Söldner, Irmscher; Jura, Mattern, Rentzsch, Henschel, Hoffmann
1:0 Mühlbächer ( 7.) 2:0 Kochale (40.)
Zuschauer: 3.000 Schiedsrichter: Zülow (Rostock)
Hans-Günter Burghause, Neue Fußballwoche, 08.02.1966

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