12. Spieltag 1965/66: SG Dynamo Dresden - SC Dynamo Berlin 2:1

Sammer machte sich wenig aus der Sonderbewachung
Endlich wieder einmal Fußballatmosphäre, wie wir sie lieben! Ein volles Haus, Stimmung, eine einwandfreie (wenn auch den Verhältnissen entsprechend tiefe) von Schnee und Eis geräumte Rasenfläche und d a s Novum unseres Fußballs: Die Dynamovertretungen aus Dresden und Berlin, in den letzten Jahren nur in den unteren Tabellenregionen anzufinden, zumeist unter ihrem wirklichen Leistungsvermögen spielend und sogar hart um den Klassenerhalt ringend, diesmal im Kampf um die Spitze! Eine Konstellation, die viel versprach, die ein förmlich gedeckter Wechsel auf ein dramatisches, erregendes, kämpferisch wie spielerisch zufriedenstellendes Treffen sein mußte. Und das Erfreulichste: die Erwartungen wurden nicht betrogen.

Die Begegnung wurde zu einem erbitterten, harten, dabei jedoch alles in allem fairen Fight, mit mannigfachen herrlichen, beeindruckenden direkten Kombinationspassagen, bei denen die Elbflorenzer deutliche Vorteile hatten. Es begann mit einer stürmischen Anfangsphase der Dresdner, die auf den Rängen die leise Hoffnung nährte, einen ebenso sensationellen 5:0-Sieg ihrer Männer über den Berliner Namensvetter wie aus dem Vorjahr zu erleben. Doch weit gefehlt! Der junge, elastische und sauber, klar schlagende Stopper Carow behielt Nerven und Übersicht, stoppte zunächst Ziegler, Engels und Gumz eiskalt. Dann drohte den Dresdnern große Gefahr, als dem SC Dynamo durch Kochale einer der wenigen wirkungsvollen Angriffszüge gelang (13.), doch Sammer im letzten Augenblick noch klären konnte.

Drei tolle Möglichkeiten für den Gastgeber schlossen sich an: Zieglers Effetball, nach einem gegen Mühlbächer (nicht in bester Verfassung) gewonnenen Zweikampf sprang Bräunlich über die Hände und am langen Eck vorbei zur Seite (18.). Gumz´ Volleyschuß ins Netz mußte Schiedsrichter Vetter selbstredend wegen vorausgegangenen Handspiels des Linksaußen unberücksichtigt lassen (19.), und als schließlich der wieder groß aufspielende Ziegler nach einem abgewehrten Freistoß von Hemp einen Volleyschuß aufs Tor jagte, hatten Mühlbächer und Bräunlich in einer gemeinsamen Flugparade ihre große Szene und verhinderten zunächst den Dresdner Führungstreffer (22.). Dresden diktierte ganz einwandfrei das Tempo, den Rhythmus des Spiels.

Die Chancen häuften sich, doch die konstruktive Wirkung der Schützlinge Helmut Petzolds hatte ihre entscheidende Ursache auch in einem taktischen Fehler der Berliner und einer kämpferischen Unzulänglichkeit (kein sofortiges Stören am Mann), die für den Spielausgang mit ausschlaggebend wurden: Der Berliner große Stärke bis zum 6. Spieltag war eine glänzend harmonierende Läuferachse Mühlbächer - Unglaube (kam aus Kreischa, wo er zur Nachbehandlung seiner Verletzung weilt, zum Spiel, sicher nicht ohne Wehmut die harmlosen Mittelfeldaktionen seiner Elf anschauend) mit dem in der 4-2-4-Formation die Funktion des zurückhängend spielenden Halbstürmers ausfüllenden Wolff. Diese Aufgabe vermochte Wolff zu erfüllen, weil sie ihn nicht zu direkten Deckungsaufgaben zwang.

In Dresden aber, als Läufer aufgeboten, offenbarte sich die Schwäche Wolffs im Abwehrspiel ganz empfindlich, er öffnete den Dresdnern die Lücken, in die sie erbarmungslos hineinstießen. Wobei noch erschwerend hinzukam, daß Fuchs, zuletzt gegen Rostock noch als Läufer aufgeboten, diesmal als Halbstürmer mit Sonderaufgaben gegen Sammer nicht die Qualitäten besaß, den Dresdner Mittelfeldregisseur auszuschalten. Der hochaufgeschossene, begabte junge Läufer wurde schließlich zum besten Mann auf dem Feld und machte sich mit seinem wundervollen Kopfballtor selbst sein schönstes Geburtstagsgeschenk. Dem harmlosen Berliner Sturmspiel standen Wucht, Variationsreichtum und Durchschlagskraft der Dresdner entgegen, so daß es einmal mehr nicht von ungefähr kam, daß die Berliner auswärts nun schon zum fünften Male in der Schlußphase unterlagen.

SG Dynamo Dresden:
Noske; Haustein; Pfeifer, Prautzsch, Oeser; Sammer, Hemp, Kreische; Engels, Ziegler, Gumz
SC Dynamo Berlin:
Bräunlich; Stumpf; Carow, Mühlbächer, Skaba; Wolff, Fuchs, Aedtner; Hall, Bley, Kochale

1:0 Sammer         (57.)
1:1 Fuchs          (70.)
2:1 Prautzsch      (83.)

Schiedsrichter:    Vetter (Schönebeck)
Zuschauer:         25.000

Günter Simon, Neue Fußballwoche, 07.12.1965