11. Spieltag 1965/66: SC Dynamo Berlin - SC Empor Rostock 2:0

Der Ball tanzte mit den Flocken um die Wette / Auf diesem Boden hatte Dynamo das richtige Rezept: Hoch und steil / Inaktive Gäste, bei denen Drews selten, Pankau nie die Mittellinie überschritten
"Bei diesen Bodenverhältnissen ging es nicht um den Schönheitspreis, da konnte man nicht groß spielen", meinte Dynamo-Kapitän Skaba, als er die wärmende Dusche aufsuchte. "Kampf und Kraft hieß die Parole." Die Worte des kompromißlosen Verteidigers treffen den Nagel auf den Kopf. - Zunächst einmal verdienen alle Beteiligten ein Lob dafür, angesichts dieser widrigen Umstände überhaupt ein doch noch recht ordentliches Spiel gezeigt zu haben (wobei diese Einschätzung alle Erschwernisse berücksichtigen will): die Aktiven für ihre Disziplin, ihre Bereitschaft und ihr Bemühen, die Unparteiischen für ihre Konsequenz, ihr Anpassungsvermögen und schließlich auch die Zuschauer, die allem zum Trotz aushielten.

Wenngleich natürlich unter diesen Verhältnissen dem Zufall Tür und Tor geöffnet waren - oft tanzte der Ball auf der fußhohen Schneedecke mit den Schneeflocken, vom Wind heftig getrieben, um die Wette, dann blieb er plötzlich wieder liegen -, so setzte sich doch die klar bessere Mannschaft durch, weil sie das klügere Rezept hatte und weil sie sich vor allem als kampffreudiger erwies. Mit eng angelegten Kombinationen, mit sauber abgezirkeltem Zuspiel zum nächsten Mann war auf diesem Boden des Ausweichplatzes - das Stadion im Berliner Sportforum war unbespielbar - nichts zu machen. Hoch und weit, dem kick-and-rush ähnlich, das war die Devise des Siegers, ein Mittel dessen sich die Rostocker kaum einmal bedienten, damit einen unverzeihlichen Fehler begingen, eben weil sie sich einfach nicht mit den veränderten Bedingungen abzufinden vermochten.

Dieses Spiel demonstrierte Dynamo so gut, daß die Frage nach dem Gewinner recht schnell beantwortet war. Die Steilpässe der Mühlbächer, Fuchs, Carow, Kochale mußten selbst bei der gewiß nicht schwachen Empor-Deckung Wirkung hinterlassen, wobei natürlich den Berlinern die schnelle Führung in Gestalt eines bildschönen Eigentors von Drews entgegenkam, als der Halbrechte eine scharfe Eingabe von Kochale mit dem Kopf ins Dreieck dirigierte. Da gab es für den wieder verbesserten Heinsch, er meisterte einige tolle Schüsse der Dynamo-Stürmer, hatte einmal in Sackritz einen guten Assistenten, als der Verteidiger den Ball von der Linie schlug (56.), und das Glück des Tüchtigen, als Mühlbächers Schuß von der Latte zurückprallte (58.), einfach nichts zu halten. Und bei Mühlbächers Heber mit dem linken Fuß nach einer ungenügend abgewehrten Ecke von Bley war dem reaktionsschnellen Rostocker Hüter die Sicht versperrt.

Dieses 2:0 reichte den Berlinern; wobei erwähnt werden muß, daß sie meist tonangebend waren, ständig um eine Erhöhung des Ergebnisses bemüht blieben. Diese Bemühungen, Anschluß und vielleicht gar Ausgleich zu schaffen, waren auf der anderen Seite nicht in dem Maße zu erkennen. Abgesehen von einem kurzen Zeitraum nach der Pause diktierte Dynamo das Geschehen. Drews war fast ständig in der eigenen Hälfte zu finden, stieß zu selten über die Mittellinie mit nach vorn, und Pankau stand nur neben Sykora oder oft noch gar hinter ihm, konnte seine konstruktiven Fähigkeiten überhaupt nicht nutzen, blieb ständig mit Abwehraufgaben beschäftigt, eine taktische Einstellung, die wir nicht verstanden. Zumindest nach dem 0:2 hätte der SC Empor allen Grund gehabt, sich mit aller Kraft gegen die drohende Niederlage zu stemmen, mit Mann und Maus zu stürmen.

SC Dynamo Berlin:
Bräunlich; Stumpf, Carow, Skaba; Mühlbächer, Fuchs; Aedtner, Wolff, Hall, Kochale, Bley
SC Empor Rostock:
Heinsch; Sackritz, Sykora, Hergesell; Pankau, Seehaus; Barthels, Drews, Wruck, Kleiminger, Madeja

1:0 Drews              ( 8., Eigentor)
2:0 Mühlbächer         (32.)

Schiedsrichter:        Trautvetter (Immelborn)
Zuschauer:             2.500


Klaus Schlegel, Neue Fußballwoche, 30.11.1965