10. Spieltag 1965/66: BSG Chemie Leipzig - SC Dynamo Berlin 2:1

Exmeister suchte das Spiel... / ...und fand nach der Pause zu seinem eigenen Fighterstil
Chemies Situation vor diesem fünften Heimspiel war nicht die glücklichste. Die Elf hatte in dieser Saison vor eigenem Anhang noch nicht eine Partie gewonnen. "Wir können uns mit einem Remis nicht zufriedengeben", hieß deshalb die Devise Alfred Kunzes. der sachlich vor dem Treffen einschätzte: "Das Innentrio Bauchspieß-Scherbarth-Lisiewiecz stand uns nicht einmal ein ganzes Spiel zur Verfügung: immer fehlten einer oder zwei und damit unsere schärfste Waffe. Die heimische Atmosphäre des Schwartz-Sportparks vermissen wir im Zentralstadion. Die Moral der Mannschaft ist gut, aber natürlich wird der Geist durch Erfolge beflügelt." Somit war das 2:1 schon psychologisch für Chemie äußerst wertvoll. Die Art und Weise, wie sich die Leipziger diesen Erfolg erkämpften, bestätigte den "guten Kern der Truppe". Überlegt, zielbewußt. nichts überstürzend, lösten sie ihre Aufgabe. Zuallererst suchte der Exmeister das Spiel.

Aus einer konsequenten, sicheren Abwehrreihe zog er seine Kombinationen auf, und das zweckmäßig, auf Raumgewinn bedacht. Sannert war der kluge Ballschlepper, assistiert von Richter und Lisiewiecz. Fleißig schaltete sich der lauffreudige, klug nach den Seiten ausweichende Scherbarth ein, großartig spielte er allein zweimal Behla mit weiten Diagonalpässen frei (15., 28.). Doch die Stärke Scherbarths im Mittelfeld war eine Halbzeit zugleich die Schwäche des Chemie-Angriffs, der eine eindrucksvolle Viertelstunde zwischen der 15. und 30. Minute hatte, dem aber vorn die scharfe Klinge fehlte. Dynamos Spiel kam gegen diese entschlossene Chemie-Elf nicht wie gewohnt zum Tragen. Die Berliner ließen einmal auf dem tückisch glatten Eisparkett größere Schwierigkeiten erkennen als die Gastgeber und wirkten in ihrem ganzen Handeln verhalten, bedächtig, nicht sicher.

So gekonnt, clever der reaktionsschnelle Bräunlich, der stellungssichere Carow und der routinierte Mühlbächer ihre Zerstörungsarbeit verrichteten, die Gäste verrieten schon aus der Deckung heraus nicht die besonnene, zweckmäßige Aufbauarbeit wie Chemie. Viel zu viel Zeit brauchten sie, das Mittelfeld zu überbrücken, weil Meyer, Wolff, wie auch der in der 75. Minute das Signal zur Offensive gebende Mühlbächer selten Anspielpunkte fanden. Dynamos Angriffsspitzen blieben stumpf, Kochale, Hall, Aedtner vermochten sich nicht vom Gegner zu lösen. Ganz anders dagegen Chemie, das nach der Pause wohl von der spielerischen Sicherheit einbüßte, an Zahl weniger erfolgverheißende Spielzüge vortrug als in den ersten 45 Minuten, aber dafür mehr und mehr zu den eigenen Fighterqualitäten zurückfand.

BSG Chemie Leipzig:
Günther; Herzog, Walter, Herrmann; Krause, Richter; Gawöhn, Sannert, Scherbarth, Lisiewiecz, Behla
SC Dynamo Berlin:
Bräunlich; Stumpf, Carow, Skaba; Mühlbächer, Meyer; Aedtner, Wolff, Hall, Kochale, Bley

0:1 Kochale            (48.)
1:1 Lisiewiecz         (51.)
2:1 Scherbarth         (81.)

Schiedsrichter:        Zülow (Rostock)
Zuschauer:             5.000


Wolfgang Hempel, Neue Fußballwoche, 23.11.1965