09. Spieltag 1965/66: BSG Wismut Aue - SC Dynamo Berlin 1:1

Mit Spielern die Initiative ergriffen! / Wismuts Druck hielt 30 Minuten an, dann fanden die Berliner, deren Läufer Mühlbächer nach 36 Minuten ausschied, ihre Linie und hielten den Kampf bis auf die letzte Viertelstunde offen
Ob Willi Troger, unser erfolgreichster Torjäger vergangener Tage, den Lauf der Dinge schon ahnte, als er uns Minuten vor Spielbeginn diese Einschätzung über die junge Wismut-Mannschaft gab: "Es fehlt ihr keinesfalls an guten und noch entwicklungsfähigen spielerischen Anlagen, aber sie muß in erster Linie darum bemüht sein, ihre Chancen resolut zu nutzen. Es mangelt den Stürmern am rechtzeitigen Erfassen und sofortigen Verwerten von Tormöglichkeiten!" Speziell die erste Phase des Kampfes auf schneebedecktem und schwierig zu bespielendem Platz war dafür geradezu typisch. Wismuts Vorhaben, sich aus der ungünstigen Tabellensituation mit einem frühzeitig sichergestellten Erfolg allmählich zu befreien, prägte ganz zwangsläufig die Spielweise der Elf: Sofortiges beherztes Attackieren mit einem ganz auf Tempo abgestimmten Steilspiel aus der Abwehr heraus.

Immer wieder setzten Schaller, Zink und der auf diesem Boden ungemein behend wirkende Hartwig den aus der Tiefe geschlagenen Paßbällen nach, klammerten dabei zeitverzögerndes Mittelfeldspiel aus und erfüllten ihre Aufgabe mit einem Aufwand an Kraft und Lauffreude, der unbedingt Anerkennung herausforderte. Doch mil nur einem Treffer (Hartwig) blieb die Torausbeute entsprechend der Spielanteile und der dabei herausgeholten Chancen unbefriedigend. Und bereits Mitte der ersten Hälfte zeichnete sieh ab, daß Wismut diesem mit höchstem körperlichen Aufwand geführten Spiel alsbald Tribut zollen müsse - um so schwerwiegender war die bis zu diesem Zeitpunkt vergebene Möglichkeit, bereits mit mindestens zwei Toren in Front zu Hegen!

Hatte vor allem Dynamos Abwehr zunächst erhebliche Schwierigkeiten, um im Tempo mitzugehen und den kraftvollen Angriffszügen des Gegners mit Überlegung und spielerischer Sicherheit zu begegnen, so verlagerte sich das Kräfteverhältnis mit fortschreitender Zeit doch spürbar, die naheliegende Vermutung, die Elf werde nach Mühlbächers Ausscheiden in der 37. Minute (schmerzhafte Wunde im rechten Unterschenkel) kaum dazu in der Lage sein, den Spielrhythmus zu finden, erwies sich als unbegründet. Als die Mannschaft jetzt ihre technische Perfektion und mannschaftliche Abgeklärtheit ins Feld führte und sich dabei vom Fehlen ihres Schlüsselspielers Mühlbächer unbeeindruckt zeigte, mußte Wismut die Initiative abgeben. Gegen die im Mittelfeld von Meyer, Bley und Kochale inszenierten schnellen und genauen Kurzpaßfolgen sah sich der Gegner nur selten zu erfolgreicher Gegenwehr imstande.

Sofort war auch Wismuts Torgefährlichkeit auf ein Minimum beschränkt, zumal Carow und der in der konzentrierten Faustabwehr vorbildlich handelnde Torwart Bräunlich ihr Pensum klasserein absolvierten und damit die Geschlossenheit ihrer Deckung mehr und mehr garantierten. Daß sich Dynamo im Schlußdrittel dennoch der Gefahr einer Niederlage aussetzte, überraschte im gleichen Maße wie das Fehlen blitzschneller Konterstöße aus dem Mittelfeld heraus, wo sich die Mannschaft allzuoft im Querspiel erschöpfte und bis auf Hall keinen echten Reißer in ihrem Angriff besaß. Völlig unnötig war die ausschließliche Defensiv-Orientierung in den letzten 15 Minuten, sie brachte Dynamo im energischen und kämpferisch von allen Wismutspielern vorbildlich geführten Endspurt noch hart an den Rand einer Niederlage. Zum Glück für die Berliner zeigte sich aber auch hier die noch mangelhafte Abgeklärtheit aller Wismut-Angreifer - sonst hätten Schaller (Fallrückzieher) sowie Hartwig (Lattenschuß aus freistehender Position) wohl noch für ein schreckhaftes Ende dieser Partie für den SC Dynamo gesorgt!

BSG Wismut Aue:
Thiele; Gerber, Pohl, Neff; Göke, Killermann; Zink, Groß, Hartwig, Schaller, Eberlein
SC Dynamo Berlin:
Bräunlich; Stumpf, Carow, Skaba; Mühlbächer (37. verletzt ausgeschieden), Meyer; Aedtner, Wolff, Hall, Kochale, Bley

1:0 Hartwig            ( 9.)
1:1 Bley               (61.)

Schiedsrichter:        Bader (Bremen/Rhön)
Zuschauer:             4.000


Dieter Buchspieß, Neue Fußballwoche, 16.11.1965