26. Spieltag 1964/65: SC Dynamo Berlin - BSG Lok Stendal 2:4

Liebrecht war der Motor / Stendaler Elf harmonisch aufeinander abgestimmt
Beide Mannschaften hatten sich in ihrem letzten Spiel ein Ziel gesetzt. Der SC Dynamo wollte seinem Anhang zeigen, daß er auch zu Hause zu einer ansprechenden spielerischen Leistung fähig ist, die Stendaler waren bestrebt, ihren sechsten Tabellenplatz zu festigen. Doch nur die Gäste konnten ihr Vorhaben verwirklichen. Sie taten es in einer Art und Weise, die den Beifall der Zuschauer fand. Da gab es keinen Bruch zwischen Abwehr und Angriff, flössen die Aktionen fast reibungslos ineinander. Liebrecht war Dreh- und Angelpunkt des Spiels. Von ihm gingen die entscheidenden Impulse aus. Und es war kein Zufall, daß gerade er die Vorarbeit zu den beiden Führungstreffern leistete. Nach dem Wechsel ließ Lok dann die Zügel schleifen, da die Elf die Begegnung jederzeit im Griff hatte, was ja auch in der Torfolge deutlich wird.

Jedesmal, wenn die Berliner den Anschlußtreffer erzielten, wurde der alte Zwei-Tore-Abstand wieder hergestellt. Danach begnügte sich Stendal, den SC Dynamo abzufangen. Was Liebrecht für die Gäste war, sollte Unglaube auf der anderen Seite darstellen. Daß es dem Berliner Läufer nicht gelang, war nicht so sehr seine Schuld. Er hatte einen Sturm vor sich, der nur auf dem Papier stand. Fuchs hielt sich noch hinter Unglaube auf, da er den Auftrag hatte, Backhaus nicht von den Fersen zu weichen. Dieses Vorhaben gab er unverständlicherweise erst nach einer Stunde auf. Meyer erlitt frühzeitig eine Zerrung, die ihn sichtlich hemmte. Hall war viel zu umständlich, Trümpler schien überhaupt nicht auf dem Platz, Bley rackerte sich ohne Erfolg ab.

Damit konnte die von Lindner wieder gut organisierte Deckung nicht auseinandergebrochen werden. Dabei machten die Außenverteidiger den Eindruck, daß sie bei einem forcierten Flügelspiel in Schwierigkeiten gekommen wären. Sie scheinen die schwächsten Punkte in der sonst so homogenen Stendaler Elf. Aber Außenstürmer besitzt der SC Dynamo nicht. Wenn auch die Begegnung eindeutig von den Gästen beherrscht wurde, sie verlief nie langweilig. Dafür sorgten die zahlreichen und schönen Tore sowie spannende Szenen in beiden Strafräumen. Das Spiel ließ aber auch klar erkennen, daß man sich beim SC Dynamo etwas einfallen lassen muß, wenn man nach der dritten Saison in ständiger Abstiegsgefahr nicht noch eine vierte Meisterschaftsserie gleichen Stils anfügen will.

SC Dynamo Berlin:
Braunlich; Stumpf, Heine, Skaba; Carow, Unglaube, Bley, Fuchs, Hall, Meyer, Trümpler
BSG Lok Stendal:
Zeppmeisel; Felke, Lindner, Prebusch; Küchler, Liebrecht, Kochale, Strohmeyer, Backhaus, Karow, Güssau

0:1 Güssau             (25.)
0:2 Strohmeyer         (35.)
1:2 Heine              (42., Handstrafstoß)
1:3 Karow              (53.)
2:3 Fuchs              (64.)
2:4 Backhaus           (74.)

Schiedsrichter:        Kunze (Karl-Marx-Stadt)
Zuschauer:             2.000


Rolf Gabriel, Neue Fußballwoche, 08.06.1965