21. Spieltag 1964/65: SC Dynamo Berlin - BSG Chemie Leipzig 1:0

Nur die Abwehr tadelfrei / Mühlbächer, Dorner, Heine großartig!
Als Dynamos Halblinker Renk nach genau viertelstündiger Spielzeit in einen maßgerecht hereingezogenen Freistoßball flog und das Leder in wirklich sehenswerter Manier ins lange Toreck stieß, schien der Gastgeber mit dem erforderlichen Selbstvertrauen ausgestattet, um diesen für ihn bedeutungsvollen Vergleich weiterhin entscheidend zu prägen. Keiner ahnte zu dieser Zeit, daß sich der SC Dynamo dieses Vorsprungs noch mühevoll erwehren und ihn schließlich mit offensichtlicher Schwierigkeit über die weiteren 75 Minuten retten müsse. Überraschenderweise übernahm Chemie nach dem 0:1 ziemlich eindeutig die Initiative. Die Gründe dafür lagen auf der Hand: Der SC Dynamo besaß in seiner Abwehrreihe diesmal Strategen, die als maßgeblich für den insgesamt verdienten Gesamterfolg anzusehen sind. Das betraf in erster Linie Mühlbächer, dessen beständiges Leistungsvermögen der vergangenen Wochen seiner Elf wichtigen Rückhalt vermittelte. Seine Partie war ausgefeilt in jeder Hinsicht und bestimmt von einer selbstbewußten Auffassung, wie sie wohl kein anderer Akteur auf dem Feld nachzuweisen hatte.

Er löste die ihm übertragene Aufgabe der Mittelfeldsicherung in glänzender Manier und krönte sie mit einer Bravourtat in der 70. Minute, als er bei einem scharfen Kopfball von Bauchspieß auf der Linie gedankenschnell klärte. Bei ihm, dem antritts- und schlagstarken Dorner sowie dem umsichtig fungierenden Heine lag der Ausgangspunkt für mannigfaltige spielerische Unebenheiten also keinesfalls. Und trotzdem kam der SC Dynamo noch derart in Bedrängnis? Hätten sich im Angriff einige Spieler (Wolff, Loster) mit gleicher Begeisterungsfähigkeit, ähnlichem Aufwand an Kraft und vor allem dem erforderlichen Einfühlungsvermögen in Szene gesetzt, wie es wohl sämtliche Abwehrspieler taten, dann wäre dem Gastgeber manche Sorge erspart geblieben. Was jedoch vor allem beide Flügelstürmer diesbezüglich zeigten, mußte zwangsläufig zu einer schwerwiegenden Einschränkung in der mannschaftlichen Wirkung führen. Dieses Handicap konnte der SC Dynamo unter keinen Umstanden verkraften!

Da sich auch der technisch versierte Unglaube allzuoft zu risikovollem Dribbling entschloß und den Vorteil des sofortigen Abspiels offenbar verkannte, ergaben sich im Mittelfeldspiel mehr als einmal Stockungen. Es ist in der Tat Hauptverdienst der diesmal reibungslos fungierenden Deckungsreihe gewesen, daß der kostbare 1:0-Vorsprung gegen einen niemals aufsteckenden Gegner behauptet werden konnte! Natürlich scheiterte der Meister nicht allein an der Tatkraft und klug abgewogenen spielerischen Leistung seines Partners. Er selbst wird sich zahlreiche Schwächen eingestehen müssen, die ihm ein besseres Abschneiden versagten. Eine Vielzahl ungenauer Paßfolgen aus dem Mittelfeld heraus war dafür genauso ausschlaggebend wie das Fehlen schneller Kombinationsfolgen im Sturm, die gegen die standfeste Dynamo-Abwehr Aussicht auf Erfolg besessen hätten. Scherbarth, Lisiewicz boten zudem zu wenig, um ein überdurchschnittliches Maß an Angriffswucht zu garantieren. Als schließlich Behla in der 72. Minute nach einem Foul an Mühlbächer das Feld räumen mußte, war Chemies Niederlage perfekt.

SC Dynamo Berlin:
Bräunlich; Dorner; Heine, Skaba, Mühlbächer; Unglaube, Wolff, Bley, Hall, Renk, Loster
BSG Chemie Leipzig:
Sommer; Herzog; Walter, Herrmann, Kramer, Krause, Lisiewicz, Richter, Scherbarth, Bauchspieß
Behla

1:0 Renk               (15.)

Schiedsrichter:        Schilde (Bautzen)
Zuschauer:             6.000


Dieter Buchspieß, Neue Fußballwoche, 06.04.1965