19. Spieltag 1964/65: SC Dynamo Berlin - SC Karl-Marx-Stadt 3:1

Stabile Abwehr war die Basis des Erfolges! / Dynamo machte mit konsequenten Aktionen die 0:3-Niederlage gegen den ASK vergessen / Leistung des SCK einfach indiskutabel
Die letzte Niederlage des SC Dynamo im Ortsderby gegen den ASK Vorwärts scheint doch nur ein Ausrutscher gewesen zu sein, wie er im Aufeinandertreffen von Ortsrivalen immer einmal an der Tagesordnung sein kann. Anlaß zu dieser Feststellung gab die Partie der Dynamo-Elf gegen den SC Karl-Marx-Stadt, die zwar nicht in überragendem Stil mit einem 3:1-Sieg beendet wurde, auf jeden Fall aber einen ungefährdeten Erfolg brachte. Dynamo brachte dieselbe Besetzung wie gegen den ASK Vorwärts aufs Feld. Ein durchaus nicht ungeschickter psychologischer Schachzug, weil jedem von Beginn an anzumerken war, sich nach dem 0:3 gegen den ASK Vorwärts mit einer ansprechenden Leistung zu rehabilitieren.

Das traf vornehmlich auf die Abwehr zu, die sich nur in den seltensten Fällen eine Blöße gab. Die Variante des doppelten Stoppers (Heine und Mühlbächer) zahlt sich für die notwendige Ruhe und Sicherheit immer mehr aus, beide Verteidiger ließen Vogel und Schuster kaum Entfaltungsmöglichkeiten. Entscheidend fiel jedoch ins Gewicht, daß Bley seine Aufgabe mit der ihm eigenen Zähigkeit und Konsequenz erfüllte, den gegnerischen Spielmacher Erler nicht zur Wirkung kommen zu lassen. Nur anfänglich klebte dabei der Dynamo-Halbrechte direkt am Mann, hielt er engste Tuchfühlung. Mit zunehmender Spielzeit variierte er jedoch sein Spiel äußerst geschickt, löste er sich im richtigen Moment vom Gegner und schaltete sich klug in die eigenen Angriffsaktionen ein. Noch größere Wirkung ging von Unglaube aus, der linke Läufer ließ es mitunter zwar am notwendigen Überblick fehlen, sein Aktionsradius aber war enorm.

Mit aufopferungsvollem Einsatz drängte er immer wieder in den Angriff, machte die Aktionen im Mittelfeld diesmal schon weitaus schneller und präziser. Drei Treffer stellten dem Berliner Angriff ein gutes Zeugnis aus. Gewiß, Eifer (Hall, Bley) und Überlegung (Meyer) hielten sich die Waage mit nicht immer genügender Konsequenz (Wolff) und zuweilen Überhast (Geserich). Licht und Schatten also. Eines aber ließen die Berliner nicht vermissen: den energischen Zug zum Tor sowie den Willen, sich bietende Chancen, Fehler des Gegners erbarmungslos zu nutzen! Alle drei Tore waren Ausdruck dieser kämpferisch betonten Angriffsqualitäten. Eine Riesenenttäuschung bereiteten dagegen die Gäste. Drei bis vier direkte Angriffszüge deuteten zwar an, daß die spielkulturellen Mittel der Mannschaft gewichtiger als an diesem Sonntag sein müssen, die krasse Vernachlässigung ihrer gefährlichsten Waffe, mit schnellen, direkten Paßfolgen über ihre leichtfüßigen Außen zum Erfolg zu kommen, aber mußte sich nachteilig auswirken.

Noch augenfälliger aber war die geradezu katastrophale Deckungsarbeit des SCK, die dem einstigen Abwehrstrategen Horst Scherbaum, Trainer der Karl-Marx-Städter, selbst bei frühlingshaftem Sonnenschein wahre Schüttelfröste bereitet haben müssen. Rüdrich war als rechter Verteidiger ein einziges Nervenbündel, machte selten viele Stellungs- und Abspielfehler, ganz schlimm aber sahen sich die Aktionen von Hüttner an. Es war nur die logische Folge seines mangelhaften Spiels, daß er kurz vor dem entscheidenden dritten Treffer durch Meyer ein Dribbling mit einem Abspielversuch verpatzte und die Bestrafung auf dem Fuß folgte. Selten wurde die Unproduktivität des tempoarmen Kurzpasses so offenbar wie diesmal beim SCK, der noch kurz vor dem Abpfiff Gefahr lief, Erler nach einem groben Foul an Bley vom Felde verwiesen zu sehen. Ob ihm die Deckungsarbeit des Dynamo-Halbrechten nun behagte oder nicht, derartige Revancheaktionen sind kaum entschuldbar.

SC Dynamo Berlin:
Bräunlich; Dorner; Heine, Skaba, Mühlbächer; Unglaube, Wolff, Bley; Hall, Meyer, Geserich
SC Karl-Marx-Stadt:
Gröper; Rüdrich; Hüttner, Müller, Feister; Kupferschmied, Schuster, Taubert; Steinmann, Erler, Vogel

1:0 Geserich           (11.)
2:0 Hall               (17.)
2:1 Schuster           (46.)
3:1 Meyer              (81.)

Schiedsrichter:        Warz (Erfurt)
Zuschauer:             6.000

Günter Simon, Neue Fußballwoche, 16.03.1965