18. Spieltag 1964/65: ASK Vorwärts Berlin - SC Dynamo Berlin 3:0

Trio Körner-Nöldner-Begerad setzte ASK-Spiel Glanzlichter auf / Nach ausgezeichnetem Beginn ließ Dynamo grobe taktische Mängel erkennen / Eine Klasse für sich: Gerhard Körner
Hätte jemand nach einer Viertelstunde eine Umfrage auf den Rängen organisiert, die wenigsten Zuschauer hätten sicher einen so klaren und völlig ungefährdeten ASK-Triumph, der nicht allein zwei Punkte, sondern die erneute Tabellenführung brachte, vorausgesagt. Bis zu diesem Zeitpunkt nämlich schien es, als verfüge Dynamo durchaus über die spielerischen Möglichkeiten, seinem Lokalrivalen Paroli zu bieten. Die Männer um Hall zeigten in der Anfangsphase die besseren Kombinationen, waren sehr lauffreudig und fanden sich mit den Bodenverhältnissen weit besser ab. Klug ergänzten sich Meyer, Wolff und Unglaube, bezogen Hall und Bley in ihr Zusammenspiel mit ein und ließen die ASK-Deckung, in der Unger diesmal übrigens schwächer war, zunächst schlecht aussehen. Doch selbst in dieser guten Zeit machten sich drei Mängel bemerkbar, die sich später als spielentscheidend erweisen sollten:

1.) Kaum eine der noch so gut gemeinten Kombinationen wurde mit einem herzhaften Schuß abgeschlossen. In dieser ersten Viertelstunde, der besten Dynamos, brauchte Zulkowski nicht ein einziges Mal einzugreifen; überhaupt hatte der ASK-Hüter einen geruhsamen Nachmittag. Der Dynamo-Angriff war diesmal wenig durchschlagskräftig; bis auf Hall strahlte kein Stürmer Torgefährlichkeit aus. Selbst als Bley (37.) allein vor Zulkowski auftauchte, konnte er nicht erfolgreich abschließen.

2.) Die Läufer des SC Dynamo blieben zu inaktiv. Unglaube stieß zunächst mit nach vorn, recht erfolgreich sogar. Später aber zog er sich mehr und mehr zurück, stand oft noch hinter Heine, meist aber mit dem vierten Verteidiger Mühlbächer auf einer Höhe. So klaffte zwischen Abwehr und Angriff eine Lücke, die nicht zu schließen war, in der sich dann Körner, Nöldner und Begerad nach Herzenslust tummelten.

3.) Die Abwehr Dynamos stand überaus schlecht gestaffelt. Zwar blieben die Deckungsspieler zunächst in unmittelbarem Zweikampf erfolgreich - vor allem Dorner stach in dieser Hinsicht hervor - doch man zog sich kurz vor dem Strafraum zusammen, ieß den Gegner erst in Ballbesitz kommen, spielte taktisch unklug.

Hinzu kam noch, daß einige Spieler zu unterschiedlich wirkten. Geserich ist nur ein Renner, bei Meyer wechselten gute mit schwachen Szenen, vor allem brauchte er stets Verschnaufpausen. Bleys Spiel hatte kaum Linie, Mühlbächer wirkte zwei-, dreimal wieder unbeherrscht, Bräunlich schließlich beging den größten Fehler, als er Begerad half, das 2:0 zu erzielen. Er ließ Großheims Eckball fallen, direkt auf die Füße des ASK-Halbrechten, der sich diese Chance nicht entgehen ließ. Und dieser Treffer brachte auch im Resultat die Entscheidung. Nun ist Vorwärts eine Mannschaft, die stets in der Lage ist, derartige krasse Fehler des Gegners zu bestrafen, um so mehr dann, wenn sie sich in einer guten Verfassung befindet. Und das war diesmal augenscheinlich der Fall! Es begann mit einem tollen Schuß Piepenburgs, den Bräunlich großartig parierte (16.). Das war das Signal für Vorwärts, den schwächeren Beginn vergessen zu lassen. Nöldner ergriff die Initiative, nutzte es aus, daß man ihm zuviel Raum ließ, umspielte seine Gegner mitunter fast nach Belieben, führte seine Kameraden äußerst umsichtig.

In Begerad fand er in etwas vorgeschobener Position eine großartige Ergänzung, der auf seine Ideen sauber einging, selbst Ideen entwickelte und umsetzte. Sicher ist es kein Zufall, daß gerade diese beiden Stürmer die entscheidenden Treffer erzielten. Beim 1:0 hob Nöldner - nach Körners Paß und "Begis" Weiterleiten - die Kugel über einen Deckungsspieler, ehe er klug vollendete, beim 2:0 leistete Bräunlich die "Vorarbeit", und beim 3:0 ging Begerad allein auf und davon, eben weil die Dynamo-Deckung schlecht gestaffelt war. So gut das Halbstürmer-Tandem auch auftrumpfte, es wurde noch übertroffen von Körner, der ein Läuferspiel modernster Prägung bot. Dieser schlanke, junge Bursche, seit Wochen schon in hervorragender Verfassung, beging keinen Fehler, zeigte eine verblüffende Übersicht, wirkte derart ballsicher, schlug überraschende Pässe, bot kurzum eine so tolle Leistung, die allein den Besuch dieses Spiels lohnte. Dieses Trio setzte dem an sich schon guten Spiel von Vorwärts Glanzlichter auf, denen Dynamo einfach nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen hatte.

ASK Vorwärts Berlin:
Zulkowski; Fräßdorf; Unger, Krampe, Kiupel; Körner, Piepenburg, Begerad; Vogt, Nöldner, Großheim
SC Dynamo Berlin:
Bräunlich; Dorner; Heine, Skaba, Mühlbächer; Unglaube, Wolff, Bley; Hall, Meyer, Geserich

1:0 Nöldner            (39.)
2:0 Begerad            (58.)
3:0 Begerad            (71.)

Schiedsrichter:        Glöckner (Leipzig)
Zuschauer:             5.000

Klaus Schlegel, Neue Fußballwoche, 09.03.1965