09. Spieltag 1964/65: SC Dynamo Berlin - BSG Wismut Aue 0:0

In Dürftigkeit steckengeblieben / Mit seinem sechsten Unentschieden wahrte Wismut seinen Nimbus, weiterhin ungeschlagen zu sein / Angriffsspiel auf beiden Seiten zu harmlos
Es bleibt dabei: auch nach dem 7. Spieltag wahrte die Wismut-Elf ihren Nimbus, die einzige noch ungeschlagene Mannschaft der Oberliga zu sein! Die Erzgebirgler erspielten sich (auf diese Feststellung muß dabei ganz besonderer Wert gelegt werden!) beim SC Dynamo jetzt schon ihr sechstes Unentschieden, vier davon gelangen sogar auswärts. Das ist zweifellos ebenso bemerkenswert wie die Tatsache, daß Wismut zweimal 1:1 und viermal 0:0 spielte - lediglich gegen den ASK Vorwärts Berlin gelang ein 2:1-Sieg -, Torarmut also Trumpf ist! Vier Tore in sieben Spielen nur zu schießen, ist wahrlich kein Grund zu Lobeshymnen (korrekterweise muß dabei noch gesagt werden, daß eines der vier Tore auch noch auf das Konto des ASK-Stoppers Unger kommt, dem in Aue ein Selbsttor unterlief). Warum diesen Abstecher in die Wismut-Statistik? Deshalb, weil das Treffen in Berlin förmlicher Anchauungsunterricht für die nach Toren zwar dürftige, nach Punkten aber um so erfolgreichere Bilanz der Mannschaft war.

Der Altmeister spielte aus einer tiefgestaffelten Abwehr heraus, er hatte in der Deckung seine spielgestaltenden Strategen zu stehen. Zwangsläufig entwickelte Wismut deshalb auch schon aus der Abwehr heraus seinen sich bedächtig, tempoarm anzuschauenden Kombinationsfußball. Ballsicherheit wurde großgeschrieben, kurze Quer- und Steilpässe sorgten für Ruhe in den Aktionen. Wagner, Kaiser und S. Wolf verloren dabei nur selten die Übersicht, waren stets auf der Höhe der Situation. Bester Beweis dafür war die Rettungsaktion von S. Wolf auf der Linie (79.), als Meyer eine flache Eingabe von Bley raffiniert verlängerte und damit Thiele überraschen konnte. Das Angriffsspiel der Auer lebte dagegen nur von der individuellen Stoßkraft der Sturmspitzen, die allerdings von einer aufmerksamen Deckung leicht unter Kontrolle zu bringen sind.

Dynamo, sprich Skaba und Heine, gelang das gegen den quicklebendigen Härtwig nicht immer (in der 72. Minute vergab der Rechtsaußen die wohl klarste Einschußchance des Spiels überhaupt, als er aus vier Metern Bräunlich nicht zu überwinden vermochte), ansonsten aber war tiefe Flaute in der Angriffsreihe der Wismut-Elf. Außer Härtwig kam keiner der von den Rückennummern her als Stürmer Ausgewiesenen über das Mittelmaß hinaus, die Qualität ihres Spiels war ganz einfach unzureichend. Die Anlage des Wismut-Spiels ist ausgesprochen kraftsparend und, was das Wichtigste ist, vor allem zeitgewinnend! Ja, es hat fast den Anschein, als ob die Methode langer Ballstaffetten darüber hinaus auch och das sicherste Mittel dafür ist, den Gegner zu ermüden, ihn zur Konzentrationslosigkeit zu verleiten. Für den SC Dynamo traf das in jeder Hnsicht zu, er spielte der Wismut-Elf geradezu in ihr Vorhaben hinein, zumindest einen Punkt zu gewinnen!

Es war ernüchternd zu sehen, wie umständlich, wie schnörkelhaft die Berliner zu Werke gingen. So sehr sich auch Unglaube um ein drangvolles Spiel bemühte, ständig mit nach vorn stieß und auch mit Torschüssen nicht geizte, vor dem gegnerischen Strafraum fehlte dem Dynamo-Angriff jede Entschlußkraft. Bleys Spritzigkeit und Elan waren auf der Rechtsaußenposition bedeutungslos, weil ihn ganz selten ein verwertbarer Paß erreichte, Mühlbächer war im Angriff (nach einer Stunde wechselte er mit Fuchs die Position) ein völliger Ausfall. Meyer, Wolff und Geserich gelangen zwar einige technisch gekonnte Spielzüge, nur eine herausgespielte Torchance im ganzen Spiel jedoch, die Geserich in der 88. Minute dann auch noch ausließ (sein Schuß landete nur am Außennetz), waren des Dürftigen denn doch zuviel. Daß unter diesen Umständen der erste Heimsieg erneut ausblieb, war kaum verwunderlich.

SC Dynamo Berlin:
Bräunlich; Stumpf, Heine, Skaba; Fuchs, Bley, Unglaube; Wolff, Mühlbächer, Geserich, Meyer
BSG Wismut Aue:
Thiele; Gerber, Müller, Wagner; Wolf, Kaiser, Härtwig, Killermann; Schmiedel, Miller, Zink

Schiedsrichter: Schulz (Görlitz)
Zuschauer: 2.500

Günter Simon, Neue Fußballwoche, 17.11.1964