24. Spieltag 1962/63: SC Motor Karl-Marx-Stadt - SC Dynamo Berlin 2:1

Angriff ist die beste Verteidigung / Leistungsanstieg des Oberliga-Neulings abermals bestätigt
Der Angriff ist noch immer die beste Verteidigung. Zeugen des Karl-Marx-Städter Fernsehspiels werden diese Fußballweisheit jedenfalls bedingungslos bekräftigen. Unsere Mannschaften sind durchaus begeisternder Leistungen fähig, wenn konzentriert, allerdings ohne jegliches taktisches Korsett, aufgespielt wird. Angesichts der Bedeutung dieser Partie erwarteten wir diese und jene taktische Sondermaßnahme. Doch nichts dergleichen geschah, und wir erlebten ein Spiel, das wohl den härtesten Kritiker zufriedengestellt haben dürfte. So gehaltvoll, so spannend, so wechselvoll verlief es. Dabei regierten keinesfalls nur Einsatz und Kampfgeist. Gewiß wurde das Spiel der Motor-Elf von diesen Eigenschaften getragen, aber in welchem Maße die jungen Leute spielerisch gereift, zu sauberen, sehenswerten Spielzügen fähig sind, das wurde gleichermaßen augenscheinlich. Schmidt, Feister (trotz Abspielmängel), Vogel, Taubert und Rentzsch - sie alle, blutjung, vermochten nachzuweisen, daß sie in knapp 12 Monaten Oberliga-Zugehörigkeit Riesenschritte nach vorn getan haben.

Obwohl der SC Dynamo sein ganzes Können in die Waagschale warf, eine Leistung bot, die zu seinen besten dieser Saison zählt, reichte es am Ende nicht zu einem Punktgewinn. Die Berliner gefielen mit ihrer klugen, technischen, gepflegten Spielweise, mit ihrem reifen, systemvollen Angriff. Großartig, wie Schröter von seinen Fähigkeiten Gebrauch machte und seine jungen Nebenleute lenkte, leitete, wie in alten Tagen. Seine Tricks, seine Pässe, oft über 30 bis 40 m, das war schon eine Augenweide. Die Abwehr spielte tapfer, energisch auf. Wenn das Spiel der Gäste dennoch im Vergleich zu Karl-Marx-Stadt einen Schuß harmloser wirkte, dann deshalb, weil der rechte Flügel nicht zu jener Steigerung fand wie die übrige Mannschaft. Klingbiel ließ es am Drang, am Zug zum Tor vermissen, wirkte sehr, sehr zaghaft, und Bley fehlte ein Schuß Einfühlungsvermögen, Spielverständnis. Er kämpfte, setzte sich ein gewiß aber das Eingehen auf die Nebenleute, das Mitwirken an den gewitzten Kombinationen, das fehlte bei ihm.

So mochte die schwache Wirkung der rechten Angriffsseite zu einem wesentlichen Teil dazu beigetragen haben, daß die Berliner insgesamt nicht so drangvoll aufspielten wie die Gastgeber und letztlich unterlagen. Die junge Motor-Elf bestimmte in den entscheidenden Phasen das Geschehen. Bei ihr setzte sich jeder, auch wenn es gelegentlich nicht gut laufen wollte, restlos ein. Das Ergebnis war ein ungestümes Angriffsspiel, das Dynamo schwer zu schaffen machte. Marquardt erwies sich aber bei herrlichen Schüssen und tollen Situationen als reaktionsschneller, fangsicherer Schlußmann, Heine als schneller, geschickter Stopper. Sie gaben ihrer Abwehr Halt und meisterten die heikelsten Situationen. Trotz der Bedrängnis fand der Verlierer noch Kraft zu energischen Gegenstößen, und Motor hatte am Schluß erhebliche Mühe, das 2:1 zu sichern. Holzmüller und Schmidt vor allem gaben hierbei ihren jungen Nebenleuten jederzeit Halt und Mut. Auf ihr Konto kommt dieser wichtige Sieg, zu einem guten Teil.

SC Motor Karl-Marx-Stadt:
Gröper; Hüttner; Schmidt, Patzer, Holzmüller; Feister, Schuster, Rentzsch; Steinmann, Taubert, Vogel
SC Dynamo Berlin:
Marquardt; Dorner; Heine, Skaba, Nebeling; Maschke, Klingbiel, Bley; Mühlbächer, Schröter, Geserich

1:0 Rentzsch (68.)
2:0 Patzer (83.)
2:1 Klingbiel (85.)

Schiedsrichter: Bergmann (Hildburghausen)
Zuschauer: 12.000

Horst Friedemann, Neue Fußballwoche, 23.04.1963