23. Spieltag 1962/63: SC Dynamo Berlin - SC Aktivist Brieske-Senftenberg 5:0

Viele Tore, wenig Dampf / Warum spielte Dynamo gegen zehn Briesker nur mit einem Bein?
Die Zuschauer zollten den Mannschaften, und ganz sicher meinten sie in der Hauptsache die Berliner, zur Pause herzlichen Beifall. Alles in allem hatten sie ihn auch verdient. Sie hatten drei Tore geschossen und eine Vielzahl an Torchancen außerdem gehabt. Mit dem starken Wind im Rücken heizten sie den Gästen mächtig ein. Schröter war auffällig oft vorn zu finden, war dort auch produktiv und torgefährlich und seine Stürmerkameraden, ja sogar die Läufer, geizten nicht mit saftigen Schüssen. Die Kombinationen liefen ordentlich und wurden in den meisten Fällen auch erfolgversprechend abgeschlossen. Bergmann im Tor der Gäste hatte alle Hände voll zu tun. Die Briesker bemühten sich zwar um offenes Spiel, hatten es gegen den Wind und gegen die solide Dynamoabwehr aber schwer, und ihre spielerischen Mittel reichten zudem nicht aus, um die Berliner ernsthaft zu gefährden. Marquardt wurde nur selten gefordert und nur einmal ernsthaft geprüft. Die Dynamo-Läufer hatten sich als erste eingeschossen. Ein Maschke-Schuß fegte gegen die Latte, und den zurückprallenden Ball jagte Mühlbächer nur knapp vorbei.

Renk sorgte schließlich für das 1:0. Eine schöne Kombination Schröter-Maschke-Schröter-Bley schloß der nach Linksaußen gewechselte Mittelstürmer mit einer hohen Flanke ab. Renk stand richtig und erwischte den Ball voll mit dem Kopf. Das 2:0 besorgte Mühlbächer mit einem 35-m-Schuß, den Bergmann durch die Hände rutschen ließ. Ein Foul-Strafstoß, den Linksverteidiger Prinz am durchgebrochenen Renk verwirkte und Schröter sicher verwandelte, brachte das 3:0. Aber die beste Szene, die Sonderbeifall bekam, hatte Klingbiel in der 30. Minute. Einen weiten Flankenball nahm er herrlich volley mit dem rechten Bein, traf mit diesem Gewaltschuß aber nur den Kopf Bergmanns. Den zurückspringenden Ball jagte er sofort mit dem anderen Fuß wiederum aus der Luft aufs Gehäuse. Ja, die erste Halbzeit konnte schon gefallen. Um so unverständlicher mutete die Spielweise der Berliner nach dem Wiederbeginn an. Die Briesker, nur noch mit zehn Mann auf dem Felde - Krüger war schon in der 22. Minute verletzt worden und nicht mehr wiedergekommen - hatten nun wohl Schiebewind, aber sie waren niemals so stark, um eine sicher führende Mannschaft aus dem Konzept zu bringen.

Dennoch schien es so, als kämen die Berliner nicht mehr zurecht. Sie schafften es einfach nicht, den buchstäblich angeschlagenen Gegner auszuspielen. Darüber konnten auch nicht die beiden Tore Klingbiels hinwegtäuschen. Dynamo spielte offensichtlich nur mit halbem Dampf; oder aber, wenn, dieser Anschein trügt, sie hatten den Faden verloren. Die klare Konzeption war nicht mehr zu erkennen, die Kombinationen waren nicht mehr so zwingend wie vor der Pause, die Fehlpässe häuften sich. Die Kumpel beschäftigten in dieser Zeit die Dynamo-Abwehr über Gebühr. Die Zuschauer reagierten entsprechend. Klingbiel versöhnte sie schließlich mit zwei schönen Toren. Eines schoß er nach innen wechselnd mit dem linken Fuß ins lange Eck, und das zweite knallte er aus ähnlicher Situation wie vor der Pause direkt aus der Luft unter die Latte. Ein hoher Sieg Dynamos also, der den Zuschauern besser geschmeckt hätte, wenn die Berliner ihre Vorpausenleistung auch in der zweiten Halbzeit geboten hätten.

SC Dynamo Berlin:
Marquardt; Dorner; Heine, Skaba, Mühlbächer; Maschke, Klingbiel, Renk; Bley, Schröter, Geserich
SC Aktivist Brieske-Senftenberg:
Bergmann; Stabach; Krüger (22. verletzt ausgeschieden), Prinz, Lemanczyk; Schuster, Moritz, Redlich; Grun, Kupferschmied, Gemsjäger

1:0 Renk               (16.)
2:0 Mühlbächer         (22.)
3:0 Schröter           (39., Foulstrafstoß)
4:0 Klingbiel          (70.)
5:0 Klingbiel          (86.).

Schiedsrichter:        Vetter (Schönebeck)
Zuschauer:             3.000

Willi Conrad, Neue Fußballwoche, 09.04.1963