20. Spieltag 1962/63: SC Dynamo Berlin - ASK Vorwärts Berlin 1:1

10 Angriffsspieler - doch zwei Läufertore / Maschke und Körner erzielten die sehenswerten Treffer / Nach gutem Beginn stark nachgelassen / Stürmer ohne Durchschlagskraft
Treffen der Lokalrivalen wohnt ein eigener Reiz inne, so sagt man. Sie sind prickelnd, spannend, packend. Kein Wunder, daß mit ihnen besondere Erwartungen verknüpft werden. In diesem Fall galt das doppelt: Hier das unbedingte Stemmen gegen ein weiteres Abrutschen in die Abstiegszone, dort das konsequente Bemühen, den Anschluß zur Spitze nicht zu verlieren. Viel stand also auf dem Spiel, aus dem leider mehr und mehr ein Kampf wurde, wobei sich die Hoffnungen der Zuschauer nicht erfüllten, sie eines der klasseärmsten Derbys erlebten. Dieser Beginn ließ manches erwarten: Ein toller Start beider Mannschaften! Vor allem der SC Dynamo fing energisch an, verband diese Energie mit klugen spielerischen Mitteln, die ihm zunächst ein Übergewicht sicherten. Drei Ecken innerhalb einer Minute bedrohten Zulkowskis Tor gefährlich.

Klingbiel eröffnete den Eckenreigen mit sehenswertem Direktschuß, der abgefälscht wurde (7.). Den Eckball jagte Renk aufs Tor. Zulkowski parierte. Seinen Abwurf erlief sich Maschke, drängte sofort nach, bediente Schnaase. Dessen Schuß wurde von einem gegnerischen Bein aufgehalten. Erneuter Eckball. Schnaase gab ihn herein, Geserich leitete ihn mit der Hacke weiter. Doch ungenutzt strich der Ball am Tor vorbei (8.). Weiter stürmte Dynamo! Bräunlichs Abwurf nahm Geserich auf. Stürmischer Lauf des Linksaußen, der sich allerdings oft verhaspelte, die Kugel zu weit vorlegte. Schnaase verfehlte diesmal seine Eingabe. Zulkowski rettete (12.). Vorwärts meldete sich zu Wort: Schon während dieser Aktionen Dynamos, vor allem aber in der Zeit danach, gaben die ASK-Spieler Proben ihres Könnens, konterten sie blitzschnell, schlugen sie saubere Pässe (Kalinke, Nöldner). Ein weiter Wechsel Nöldners auf die linke Seite erreichte den nach vorn spritzenden Krampe. Doch Heine klärte (17.). Kiupels scharfen Freistoß meisterte Bräunlich (18.). Wirths Freistoß mußte der Torwart prallen lassen. Nöldner setzte nach. Doch gedankenschnell parierte Bräunlich (23.).

Das war die beste Zeit des Spiels: In diesen Minuten spürte man vieles von dem Reiz eines solchen Derbys. Großartige Leistungen sah man da. So Dorners prachtvollen Einsatz gegen Wirth, Zulkowskis und Bräunlichs kluges Stellungsspiel, Körners weites Vorpreschen, Nöldners raffinierte Pässe, Maschkes große Laufarbeit, Ungers und Heines Dazwischenfahren und einiges andere mehr. Doch meist blieb es bei diesen Einzelleistungen, ergaben sich daraus nicht die eines Kollektivs, sah man nicht in dem erwarteten Maße das reibungslose, harmonische Miteinander der Mannschaftsteile. Dieser Mangel war beiden Vertretungen gemeinsam, wenngleich mit unterschiedlichen Ursachen. Und noch ein Merkmal stellten wir bei beiden fest, ebenfalls ein Mangel, der größere spielerische Klasse nicht aufkommen ließ: Einige Spieler (Kohle, Mühlbächer, Nöldner, Schnaase) überschritten mitunter die Grenzen des Erlaubten, ohne immer vom Schiedsrichter Riedel entsprechend bestraft zu werden. Bei Nöldners Nachschlagen ohne Ball wäre ein Feldverweis am Platze gewesen (90.).

Sehenswerte Tore, von Läufern erzielt: Ehe wir uns einigen Ursachen für die Schwäche beider Vertretungen zuwenden, sollen die beiden Treffer beschrieben werden, die ohne Zweifel die Höhepunkte des Spiels waren. Schröter setzte Klingbiel am rechten Flügel ein. Querpaß zum aufgerückten Maschke. Der schoß aus knapp 20 Metern sofort ab. Im Dreieck schlug die Kugel ein (57.). Schon erwartete man den Schlußpfiff, doch Riedel ließ wegen offensichtlicher Verzögerung Dynamos (Mühlbächer, Renk) etwas länger spielen. Anstatt den Ball klug zu halten, wurde er von den Dynamo-Spielern blind weggedroschen, um stets postwendend wieder im Strafraum zu landen. Freistoß für ASK wegen Mühlbächers Foul an Nöldner. Abgewehrt! Mit dem Kopf brachte Nöldner die Kugel zu Körner, fast im Torraum stehend. Der Läufer nahm sie hoch und zog sie ins Tor. Ausgleich! Jubel beim ASK Vorwärts: Niedergeschlagenheit beim SC Dynamo! Abpfiff! Ohne Zweifel, das war bitter für Dynamo. Buchstäblich in letzter Sekunde einen Punkt einzubüßen. Und doch sind die Ursachen dafür bei der Mannschaft selbst zu suchen.

Das zunächst: Der Angriff war stets zahlenmäßig unterlegen! Beide Halbstürmer, vor allem aber Schröter, zogen sich zu weit zurück. Ja, oft war Schröter auf der Position des rechten Verteidigers zu finden, entgegen der Weisung Gyarmatis. So entwickelte sich kein flüssiges Angriffsspiel. Ferner: Schnaase, als Mittelstürmer(!), traf nicht einmal das ASK-Tor mit einem Scharfschuß; er vor allem vergab einige Chancen, die das 2:0 ermöglicht hätten. Schließlich: In den letzten Minuten wurde zu unklug gespielt, aus dem Kampf Krampf. So kann man ein Resultat einfach nicht halten. Der ASK wirkte in der Spielanlage vielleicht reifer. Doch auch hier erwies sich der Angriff als zuwenig durchschlagskräftig. Freilich kann man auf Nachtigalls Verletzung verweisen; Fräsdorf konnte ihn nicht annähernd ersetzen. Und doch sollte es nachdenklich stimmen, daß abermals ein Läufer das Tor schoß, mehr noch, daß Körner, jetzt mit sieben Treffern bester Torschütze des ASK ist. Dieses Lob an Körner ist gleichzeitig eine herbe Kritik an den Angriffsspielern. Zu sehr wird oft in die Breite gespielt (Nöldner, Kohle), die Aktionen verlangsamt (Wirth), die Kombinationen nicht abgeschlossen (Müller). Hier bedarf es einer energischen Steigerung, will man noch erfolgreich in den Titelkampf eingreifen.


SC Dynamo Berlin:
Bräunlich; Dorner; Heine, Skaba, Mühlbächer; Maschke, Klingbiel, Schröter; Schnaase, Renk, Geserich
ASK Vorwärts Berlin:
Zulkowski; Kalinke; Unger, Krampe, Körner; Kiupel, Fräsdorf, Nöldner; Müller, Kohle, Wirth

1:0 Maschke            (57.)
1:1 Körner             (90.)

Schiedsrichter:        Riedel (Falkensee)
Zuschauer:             3.000

Klaus Schlegel, Neue Fußballwoche, 12.03.1963