19. Spieltag 1962/63: SC Dynamo Berlin-SC Elnpor Rostock 0:3

Rostocker Sachlichkeit brachte schließlich einen klaren Erfolg / Über diese Vorzüge verfügten die Berliner nicht
Wie sehr es unter den augenblicklich erschwerten Spielbedingungen neben den spielerischen und kämpferischen Voraussetzungen vor allem der Klugheit und größtmöglichen Sachlichkeit bedarf, unterstrich die Begegnung zwischen dem SC Dynamo und den Ostseestädtern nachdrücklich. Über diese Vorteile verfügten die Rostocker gegenüber den Berlinern, und sie gaben schließlich auch den Ausschlag für ihren klaren Erfolg in einem Spiel mit starken kämpferischen Akzenten, das nicht erst durch die Tore von Barthels und Madeja in der zweiten Halbzeit, sondern durch das bereits von Drews kurz vor dem Pausenpfiff erzielte Tor entschieden wurde. Diese Feststellung darf aus zweierlei Gründen getroffen werden: Dynamo stürmte in der ersten Halbzeit beherzt, betonte den läuferischen Einsatz und war offensichtlich bestrebt, die lange Kette der sieglosen Spiele abreißen zu lassen. Vier nahezu schulmäßige Angriffszüge - neben vielen anderen - demonstrierten die Berliner in diesem Zeitraum.

In der 17. Minute lief der Ball am linken Flügel blitzschnell über Schröter, Skaba und Geserich, doch vor dem einschußbereiten John brachte Wruck mit einem Kopfstoß das Leder im letzten Augenblick aus der Gefahrenzone. Dann inszenierten Stumpf, Renk und John einen gefährlichen, direkten Spielzug am rechten Flügel, doch Reck verschoß knapp (21.). In der 26. Minute rettete dann Schröbler tollkühn gegen Maschke, als das Leder über Geserich und Schnaase wiederum hervorragend durch die Reihen der Berliner lief, und in der 37. Minute waren es wiederum Geserich und Schnaase, die Renk in günstigste Schußposition brachten, doch den nicht plazierten Schuß des Halblinken lenkte der Rostocker Schlußmann über die Latte. Doch in diese Überlegenheit des SC Dynamo platzte der Führungstreffer der Rostocker hinein, als nach einem von der Mauer abgeprallten Freistoß Kleimingers ein flacher Paß von Drews, der den in der Mitte postierten Sackritz erreichen sollte, zum Entsetzen der Dynamo-Abwehr und Torwart Bräunlichs am langen Eck ins Netz rutschte.

Aus einer eindeutigen feldbeherrschenden Rolle sahen sich die Berliner plötzlich herausgerissen, als spielbestimmendes Kollektiv derart in Rückstand versetzt, vermochte der SC Dynamo im zweiten Spielabschnitt das Blatt trotz allen leidenschaftlichen kämpferischen Aufbegehrens nicht mehr zu wenden. Die Periode der spielerischen Überlegenheit nicht genutzt, aus intelligenten, klugen Angriffsaktionen keine Tore erzielt zu haben, obwohl diese als das Produkt zwingenden Handelns förmlich vor den Füßen der Berliner lagen, mußte sich bitter rächen. Tatsächlich riß der SC Empor in der zweiten Hölfte das Geschehen an sich, demonstrierte er gegenüber den unkontrollierten, überhasteten Angriffen des SC Dynamo die wesentlich ideenreichere, konstruktivere Spielanlage. Pankau, der sich vor der Pause stark der offensiven Spielgestaltung widmete, unterstützte den umsichtigen, in keiner Situation die Übersicht verlierenden Zapf vorbildlich.

Der rechte Läufer war überall, störte mit imponierendem Einsatz und vorbillichem Kopfballspiel die Angriffszüge der Berliner, während der Angriff des SC Empor jetzt die sich in der Dynamo-Abwehr bietenden Lücken konsequent zu seinem Vorteil nutzte. Sicher, bei den Nachpausentoren spielte die Tücke des Bodens (die Bälle erhielten beim Aufsetzen eine enorme Beschleunigung) den Rostockern in die Hände, diese Tücken aber gewinnbringend zu nutzen, waren die Stürmer des SC Empor klüger beraten. Zweimal erreichten Barthels und Madeja lange, weite Flugbälle, zweimal sahen sich Heine und Skaba vom tückisch aufsetzenden Leder düpiert, und die gewandten, entschlußkräftigen Rostocker ließen sich diese Einschußmöglichkeiten nicht entgehen. Mit gleichermaßen einfallsreichen und einfachen, dafür um so wirkungsvolleren Spielzügen erzielten die Rostocker einen Nutzeffekt, dessen sich die Berliner in keiner Spielphase rühmen konnten, und der dem SC Empor den selbst in dieser Höhe verdienten Erfolg - in der 86. Minute rettete Skaba hach einer blendenden Aktion von Madeja noch auf der Linie - brachte.

SC Dynamo Berlin:
Bräunlich; Dorner; Heine, Skaba, Stumpf; Maschke, John, Schröter; Schnaase, Renk, Geserich
SC Empor Rostock:
Schröbler; Rump; Zapf, Wruck, Pankau; Seehaus, Barthels, Madeja; Sackritz, Kleiminger, Drews

0:1 Drews              (42.)
0:2 Barthels           (49.)
0:3 Madeja             (88.)

Schiedsrichter:        Männig (Böhlen)
Zuschauer:             5.000

Günter Simon, Neue Fußballwoche, 05.03.1963