17. Spieltag 1962/63: SC Dynamo Berlin - SC Wismut Karl-Marx-Stadt 1:3

SC Wismut in allen Belangen die eindeutig überlegene Elf / Dynamo enttäuschte erneut stark
Die Freude der Wismut-Spieler, die nach dem Abpfiff des korrekt amtierenden Schiedsrichters Köhler jubelnd die Arme in die Luft warfen, war jedem der im Dynamo-Sportforum weilenden Zuschauer verständlich. Nahezu aussichtslos schien nämlich die Ausgangsposition für die Erzgebirgler zu sein, den SC Dynamo in Berlin schlagen zu können, weil nach ihren letzten beiden Niederlagen von den Berlinern zwangsläufig ein kämpferisches und spielerisches Aufbegehren zu erwarten war. Andererseits schienen auch die Potenzen der Erzgebirgler nicht ausreichend genug, sich durch einen Auswärtssieg aus ihrer mehr als prekären Tabellenlage befreien zu können. Doch weit gefehlt! Die Spieler des Altmeisters imponierten nämlich nicht nur mit einer vorbildlichen kämpferischen Einstellung, sie zeigten sich auch in der Lage, ihr zweifellos noch immer zureichendes spielerisches Vermögen entscheidend gegen den SC Dynamo auszuspielen.

Bereits in der Abwehr demonstrierte der SC Wismut die notwendige Geschlossenheit, um Torverluste zu vermeiden. Von der Forsche Gerbers zeigte sich Geserich sichtlich beeindruckt, während B. Müller Mittelstürmer Schnaase kaum zur Entfaltung kommen ließ. Ganz hervorragend auch Wagner, der den farblosen und maßlos enttäuschenden Klingbiel völlig zur Wirkungslosigkeit verurteilte. Vorteilhaftes Stellungsspiel, trickreich im Ausspielen des Gegners, sofort mit genauen Pässen den eigenen Angriff unterstützend, zeigte sich der linke Verteidiger in vorzüglicher Spiellaune. Diese Abwehr gab sich keine Blöße, und damit waren die Angriffsspitzen des SC Dynamo nicht nur ausgeschaltet, das gesamte Sturmspiel der Berliner verlor jede spielerische Linie. Hinzu kam, daß Manfred Kaiser und A. Müller bereits im Mittelfeld Schröter und Maschke daran hinderten, aus der Tiefe spielgestaltend zu wirken. A. Müller schloß sogar mehrfach gefährlich zum eigenen Angriff auf, dem sich die Dynamo-Abwehr insgesamt nicht gewachsen zeigte.

Geradezu herzerfrischend das schnörkellose, gradlinige Flügelstürmerspiel Einsiedels, der Skaba mit blitzschnellem Antritt mehrmals überlief. Schon in den ersten zwanzig Minuten hatte Einsiedel klare Einschußchancen vor den Füßen. Zunächst, als er von Erler mit einem weiten Paßball wunderbar in die Gasse geschickt wurde (15.), jedoch am langen Eck verzog, und im Anschluß daran, wenige Meter frei vor dem Tor, durch eine glänzende Parade Bräunlichs um den Torerfolg kam (16.). Ebenso wirkungsvoll auch Eberlein, der durch seinen unermüdlichen Einsatz selbst Heine zu Unsicherheiten in der Schlagtechnik trieb und in der 48. und 54. Minute nur noch durch letzten Einsatz von Stumpf und Heine am Torerfolg gehindert werden konnte. Ungeachtet der starken kollektiven Gesamtwirkung der Erzgebirgler verdient jedoch Erler besonders hervorgehoben zu werden. Der Halbrechte bot ein unwahrscheinliches Laufpensum und eine vortreffliche Übersicht. Er war sprühend vor Einfällen und trotz harter Gegenwirkung durch Bley unübertroffen in der Inszenierung des Wismut-Spiels.

Erler war zweifellos der überragende Mann auf dem Feld, dem sich S. Wolf durch beherrschte, klare Aktionen in der eigenen Abwehr ebenso anschloß wie durch zügige Direktkombinationen mit Einsiedel und Eberlein im Angriff. Lediglich dem krassen Versagen Wachtels im Ausnutzen selbst der aussichtsreichsten Gelegenheiten - allein in der 14., 46. und 76 Minute stand der Linksaußen völlig frei vor Bräunlich, ohne den oftmals zu tollkühnen Paraden gezwungenen Dynamo-Hüter überwinden zu können, war es zuzuschreiben, daß sich die Niederlage für die Berliner noch in erträglichen Grenzen hielt. Offensichtliche Unsicherheiten schon in der engeren Abwehr des SC Dynamo setzten sich im völlig unzureichenden Läuferspiel fort, das auch nach einem Tausch zwischen Maschke und Bley in der zweiten Halbzeit keine Belebung erfuhr. Hier war bereits der Ausgangspunkt für das ungenügende Angriffsspiel der Berliner zu suchen, das jeder Torgefährlichkeit entbehrte. Der scheinbare Außenseiter durfte sich seines verdienten Erfolges vor allem deshalb erfreuen, weil er das Resultat einer dem Gegner überlegenen und weitaus vorteilhafteren Spielauffassung war. Daran gibt es nicht den leisesten Zweifel.

SC Dynamo Berlin:
Bräunlich; Stumpf, Heine, Skaba; Becker, Bley, Klingbiel; Maschke, Schnaase, Schröter, Geserich
SC Wismut Karl-Marx-Stadt:
Thiele; Gerber, B. Müller, Wagner; A. Müller, Kaiser, Einsiedel; Erler, Eberlein, S. Wolf, Wachtel

1:0 Schröter             (31.)
1:1 Einsiedel            (34.)
1:2 Einsiedel            (55.)
1:3 Eberlein             (72.)

Schiedsrichter:          Köhler (Leipzig)
Zuschauer:               1.500

Günter Simon, Neue Fußballwoche, 12.02.1963